Pater Samir: „Christen für Frieden in Nahost unerlässlich“
Die Blockade des Gazastreifens ist gelockert, endlich können Hilfsgüter in das humanitäre
Katastrophengebiet gebracht werden. Der Nahostkonflikt schwelt jedoch weiter – zu
tief sind die Wunden der Vergangenheit auf beiden Seiten, zu stark das Gefühl, sich
vor der anderen Seite schützen zu müssen. Die Christen im Nahen Osten – sie geraten
in die Mühlen des Konfliktes und fliehen aus der Region. Dabei sind gerade sie für
Frieden und Versöhnung unerlässlich, und zwar deshalb, weil sie das Prinzip der Vergebung
leben. Daran erinnert der libanesische Jesuitenpater Samir Khalil Samir im Interview
mit Radio Vatikan:
„Der Moslem von heute hat das israelisch-palästinensische
Problem islamisiert und ebenso die Juden. Die einen sagen: Dieses Land gehört mir,
denn es ist Teil der islamischen Ummah, also Gemeinschaft. Israel beansprucht das
gleiche; auch wenn sie nicht direkt von Gott sprechen, meinen sie indirekt: Dieses
Land ist unseres, denn Gott hat es uns gegeben. Es ist sehr schwer – aber nicht unmöglich
– für einen Moslem und einen Juden, nicht in solchen Begriffen zu denken. Für den
Frieden müssen aber Ungerechtigkeiten akzeptiert und es muss vergeben werden – im
Bewusstsein, dass man selbst auch Ungerechtigkeiten begangen hat. Und meine Erfahrung
sagt mir, dass in diesem letzten Punkt nur der Christ den Frieden als überragendes
Gut stärken kann: Kein Frieden ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Dialog
und ohne Zugeständnisse.“
Dass Frieden mehr zählt als ein Stück Land –
das ist auch eine Botschaft der Nahostsynode, die im Oktober im Vatikan stattfinden
soll. Im Arbeitsdokument zu diesem so wichtigen Treffen wird auf die Gefahren eines
gewaltbereiten politischen Islam verwiesen. Dieser sei vor allem schlecht für die
Muslime selbst, so Pater Samir:
„Die Übergriffe in Irak,
in Palästina, Pakistan oder Afghanistan richten sich nicht in erster Linie gegen Christen,
sondern gegen die ganze Bevölkerung, die in diesen Ländern mehrheitlich muslimisch
ist. Unser Hauptkritikpunkt ist: Diese Art von politischem Islam ist nicht kompatibel
mit einem modernen Bürgerverständnis. Deswegen wenden wir uns so vehement gegen den
politischen Islam, denn er beraubt uns der Freiheit, der Demokratie und fördert Theokratie
und Autokratie.“
Pater Samir setzt auf das pazifistische
Potential des Religionsdialogs:
„Denn es muss immer um den
Dialog gehen. Die Vision der Synode und des Christentums überhaupt ist es, gemeinsam
eine Stadt für die Menschen zu bauen: Für Muslime, die in der Mehrheit sind, für Christen,
für Juden, für Atheisten… Wir verteidigen die menschliche Freiheit und den Menschen
selbst. Wir wollen eine immer demokratischere Gesellschaft. Wenn nun im Namen Gottes
politische Ziele verfolgt werden, die dem widersprechen, müssen wir zwangsläufig dagegen
kämpfen.“