2010-06-18 09:56:39

Algerien: Premiere für die Augustiner


RealAudioMP3 Es ist eine absolute Premiere in der Geschichte der Augustiner – und eine Art Heimkehr zum Ursprung. Zum ersten Mal ist am letzten Wochenende ein Augustiner-Bruder in Hippo zum Priester geweiht worden. Hippo: Das ist die Stadt des Ordensgründers, hier war der heilige Augustinus Bischof. Heute heißt es Annaba und liegt in Algerien, einem zu fast hundert Prozent islamischen Land, wo die Spuren des einst blühenden Christentums seit weit über tausend Jahren fast vollständig verwischt sind.

„Ich habe lange nachgedacht, bevor ich mich in Algerien habe zum Priester weihen lassen“, erzählt Jose Manuel Vizcarra Gamero. Der gebürtige Peruaner ist der neue Augustiner-Priester. „Meine Familie hat mich gefragt: Warum machst du das denn nicht in Peru, bei uns?“ Aber ich bin sehr zufrieden – Unsere Liebe Frau von Guadalupe hat mich hierhin nach Algerien geführt, ich fühle, dass mich der Glaube an sie hier trägt.“

Gedanklich ist es ein weiter Sprung: Im Dezember 1531 ist Unsere Liebe Frau von Guadalupe einem Indio in der Nähe des heutigen Mexiko-Stadt erschienen und hat ihr Bild auf seinem Poncho hinterlassen. Zu dieser Zeit war der heilige Augustinus schon rund 1.100 Jahre tot – gestorben während einer Belagerung der Stadt durch die Vandalen, laut google-Entfernungsrechner 10.142 km Luftlinie entfernt von Guadalupe. Mexiko wurde damals christlich, die blühende christliche Kirche Nordafrikas, für die Aurelius Augustinus stand, war damals schon seit vielen Jahrhunderten ausgelöscht.

„Für einen Augustiner ist es etwas sehr Wichtiges, hier im Land des Augustinus die Weihe zu empfangen... Augustinus hat etwas in mir angerührt – mir ist, als hätte er zu mir gesagt: „Bleib hier.“ Ich spüre, dass es hier viel zu tun gibt. Wir arbeiten hier mit Studenten, das ist mein Leben – und vor allem habe ich Vertrauen in diese algerische Kirche.“

Diese algerische Kirche ist klein: Sie war zu Beginn des Mittelalters vor allem deswegen dem Ansturm des Islam erlegen, weil sie auf eine gebildete Schicht in den Städten beschränkt war, sich aber nicht wirklich um Verwurzelung auf dem Land bemüht hatte. Erst die französischen Kolonialherren brachten das Christentum ab dem 19. Jahrhundert zurück nach Algerien. Heute gibt es dort 3.000 Katholiken ungefähr – und vier Bistümer, davon ein Erzbistum. Wirklich einheimisch ist das Christentum nicht in dem Land, in dem es seit ein paar Jahren ein strenges Anti-Konversionsgesetz gibt.

„Wir hier in Hippo sind drei Augustinerbrüder: zwei Peruaner und einer aus Malta. Wir empfangen alles, die kommen, um die Augustinusbasilika zu sehen – und das ist eine interessante Erfahrung: Wir teilen unseren Glauben, unsere Erfahrung mit Besuchern, die oft aus ganz anderen Kulturen oder Religionen kommen. Wir sind aber nicht hier, um Menschen zu bekehren, sondern um Pilger zu empfangen.“

Annaba liegt im äußersten Nordosten von Algerien, nahe an der Grenze zu Tunesien. Die Basilika ist – für viele überraschend – seine Haupt-Sehenswürdigkeit: Sie ähnelt verblüffend dem Sacré-Coeur auf dem Pariser Montmartre. In der Nähe liegen Ruinen des antiken Hippo Regius, etwa ein malerisches Amphitheater. Die moderne Stadt ist zwei Kilometer entfernt und wirkt mit ihren Boulevards entspannt europäisch.

„Unsere Augustiner-Gemeinschaft betreut hier Studenten aus dem Afrika unterhalb der Sahara“, erzählt Vizcarra Gamero. „Und die haben mich gefragt, ob nicht auch jemand von meiner Familie zu meiner Priesterweihe käme. Da hab ich gesagt: Von meiner Familie aus Peru kann keiner kommen – darum müsst ihr Studenten eben meine Familie sein. Sie sind mein größtes Geschenk! Mit den Moslems, den Algeriern, zusammenzuleben, ist für uns das Wichtigste. Und das Wichtigste für mich war die Entscheidung, hier zu arbeiten. Hierzubleiben.“

Algeriens Christen sind eine Hierbleib-Kirche – und damit haben sie sich großen Respekt bei vielen Moslems errungen. Schon Charles de Foucauld war im 19. Jahrhundert, als er in Tamanrasset mitten unter Moslems seine Einsiedelei gründete, so ein Hierbleiber. Vor allem aber harrte die Kirche auch während des langen und blutigen Bürgerkriegs in den 90er Jahren aus, als islamische Fundamentalisten und Terrorbanden auch Christen zur Zielscheibe machten. 1996 war das blutigste Jahr: Der Bischof von Oran, Pierre Clavérie, starb durch eine Autobombe, und sieben Mönche aus dem Trappistenkloster Tibérihine wurden entführt und starben unter bis heute nicht geklärten Umständen.

„Wir sind Freunde der Moslems; wir arbeiten zusammen, um Gott zu suchen. Es ist eine stille und freundschaftliche Arbeit – jeder sucht nach dem Gott der Liebe und des Friedens. Was uns verbindet, ist der heilige Augustinus, er schlägt eine Brücke von Christen zu Moslems. Die Algerier sind sehr freundliche Leute: Ich sehe heute im Land, aber auch hier in Annaba und für die Augustiner-Gemeinschaft viel Grund zur Hoffnung.“

Zum Priester geweiht wurde Vizcarra Gamero vom neuen Bischof von Costantina und Hippo: Paul Desfarges ist Jesuit, für ihn war es die erste Weihe, seit er letztes Jahr hier Bischofsnachfolger des Augustinus wurde. Doch der berühmteste algerische Bischof lebt gar nicht im Land: Es ist Jacques Gaillot, der frühere Bischof von Evreux in Frankreich. Als er 1995 vom Vatikan des Amtes enthoben wurde, blieb ihm nur sein Titularbistum: Parthenia, ein im 5. Jahrhundert untergegangener Bischofssitz in der Hochebene von Sétif. Dieser algerische Ort ist jetzt ein virtuelles Bistum – Gaillot hat es von Paris aus, wo er lebt, zu einer Internetseite gemacht.

„Der heilige Augustinus wollte hierbleiben, für die Kirche“, so Pater Vizcarra Gamero, „und darum habe ich mich hier weihen lassen. Ich glaube, das war vielleicht die erste Augustinerweihe hier, aber wohl nicht die letzte! Meinen algerischen Freunden hier habe ich gesagt, Priesterweihe ist wie eine Ehe – das ist für das ganze Leben, mit Gott, mit der Kirche. Für sie ist meine Priesterweihe aber etwas Geheimnisvolles geblieben.“

„Wenn wir recht denken, sind wir in Gott; wenn wir recht leben, ist Gott in uns. Wer Gott sucht, der findet Freude“, schrieb der Heilige aus Hippo. Das ist die Herausforderung, der sich anderthalb Jahrtausende später seine Schüler stellen – mitten unter Moslems.

(rv 14.06.2010 sk)








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