Vor einem Jahr wurde der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad wiedergewählt. Die
Rechtmäßigkeit der Wahl wird bis heute angezweifelt. „Where ist my vote – wo ist meine
Stimme?“ – so der Slogan der iranischen Demokratiebewegung, auch „Grüne Bewegung“
genannt, die vom Regime bis heute blutig niedergeschlagen wird. Laut amnesty international
wurden im Kontext der Proteste mindestens 5.000 Menschen festgenommen. Folter und
Missbrauch sind im Iran bis heute an der Tagesordnung. Die Vorsitzende der Iran-Delegation
des EU-Parlamentes und ehemalige Vorsitzende der deutschen Sektion von amnesty international,
Barbara Lochbihler, berichtet im Domradio-Interview über die letzten Entwicklungen.
„Zum einen wird mit massiver Angst gearbeitet in den letzten Monaten, und
die Regierung übt Kontrolle über Internet und Mobilfunknetze aus. Hinzu kommt, dass
es große Diskriminierungen von Frauen gibt. Zum Beispiel wird jetzt versucht, ein
Familienschutzgesetz im Parlament durchzubringen, das die Polygamie wieder einführen
und das Heiratsalter herabsetzen würde. Da gibt es aber großen Protest, das wird der
Präsident nicht so leicht durchsetzen können. Die Todesstrafe wird verhängt gegenüber
politisch Oppositionellen und Minderjährigen – also, hier gibt es kaum Bewegung –
, und das Justizsystem liegt sehr im Argen.“
Wegen des iranischen Atomprogramms
hat sich der UNO-Sicherheitsrat in der letzten Woche für schärfere Sanktionen gegenüber
dem Land ausgesprochen: Der Iran soll besser mit der internationalen Atombehörde zusammenarbeiten
und seine Pläne aufgeben, waffenfähiges Nuklearmaterial selbst herzustellen. Zu den
Erfolgschancen der Sanktionen meint Lochbihler:
„Man muss sehr realistisch
sehen, dass die bisherigen Sanktionen nicht erfolgreich waren... Und deshalb sehe
ich nicht unbedingt Erfolgschancen der neuen Sanktionen. Der Iran hat genügend Möglichkeiten,
diesen Sanktionen auszuweichen, sei es, dass er Handel treibt über andere Staate o.ä.
Aber es ist erst mal gut, dass die Staaten gesagt haben: Iran muss besser zusammenarbeiten
- das hat einen hohen symbolischen Wert.“
Dass Sanktionen durch Handel
mit dem Iran untergraben werden, dafür nannte die iranischstämmige Friedensnobelpreisträgerin
Shirin Ebadi jüngst ein Beispiel. Sie klagte Siemens-Nokia der Mitschuld an Menschenrechtsverletzungen
an: Der Konzern habe der Teheraner Führung Abhörtechnik überlassen, die zur Handyüberwachung
bei Regimegegnern eingesetzt werde. Viele Anhänger der Demokratiebewegung seien gerade
aufgrund von abgehörten Telefonaten und SMS ins Räderwerk der Geheimpolizei geraten.
Repression und Schikane - auf lange Sicht fahre die Regierung das Land in eine Sackgasse,
prognostiziert die EU-Abgeordnete Lochbihler. Geld, das vorher für die Bekämpfung
von Armut und Arbeitslosigkeit verwendet wurde, fließe jetzt in den repressiven Sicherheitsapparat.
Selbst die ökonomische Hauptquelle des Iran, die Erdölförderung, werde gefährlich
vernachlässigt. Mit verheerenden Folgen. Lochbihler:
„Die wirtschaftliche
Situation ist extrem schlecht, es gibt kaum Arbeitsplätze, viele ausgebildete Leute
gehen ins Ausland. Es ist also nur eine trügerische Ruhe, in der sich die Regierung
hier weiß an diesem Jahrestag, aber die grüne Bewegung ist dennoch aktiv, auch wenn
es nicht in Form von Großdemonstrationen ist.“