Türkei: Gerüchteküche brodelt nach Mord an Padovese
Vor genau einer Woche
starb Bischof Luigi Padovese. Joachim Kardinal Meisner sagte dazu an diesem Donnerstag:
„Das ist ein wirklicher Märtyrer, der mitten unter uns
gelebt hat. Dass er ermordet wurde, das hat mich tief bewegt. Wir werden sein Vermächtnis
übernehmen. Die christliche Überzeugung, dass das Blut der Märtyrer der Samen für
neue Christen ist - das möge sich wirklich auch in der Türkei zeigen!“
Eine
Woche liegt der tragische Mord an Bischof Padovese in der Türkei jetzt zurück. Und
noch immer tappen die Ermittler im Dunkeln, was das Mordmotiv betrifft. Klar ist nur,
dass der Chauffeur gestanden hat, den Bischof erstochen zu haben. Rudolf Grulich ist
Kirchenhistoriker und hat sich in seinem Buch „Christen unterm Halbmond“ (Sankt Ulrich
Verlag 2008) mit der Rolle des Christentums in der Türkei befasst. Das Vorwort schrieb
damals Bischof Padovese. Zunächst hat es geheißen, die Tat sei persönlich motiviert
gewesen. Jetzt berichtet die Agentur asianews, dass der Täter während des Attentats
„Allah ist groß“ gerufen habe. Also doch ein religiöses Motiv?
„Momentan
gibt es in Iskerun so viele Gerüchte, so viele Unklarheiten, dass man da einfach genaue
Angaben abwarten muss, auch des türkischen Gerichtes, um etwas genaues zu sagen. Man
weiß, dass der Täter wirklich psychisch gestört war, das ist in diesem Fall sicher
keine Ausrede, denn der Bischof Padovese hat für den jungen Mann die Kosten für die
Behandlungen übernommen.“
Erst sollte der Täter katholisch
sein, dann wurde das widerrufen. Auch war die Rede von einem weiteren unbekannten
Täter. Das alles löst bei Grulich Kopfschütteln aus. Das neueste Gerücht hat er erst
am Mittwoch gehört.
„Was wir seit gestern wissen ist das
Gerücht, dass eventuell die Stornierung des Fluges von Padovese nach Zypern zum Papstbesuch
deshalb erfolgt ist, weil der Bischof gewarnt wurde, dass der Fahrer etwas gegen den
Papst in Schilde führe. Das ist ein ganz neuer Aspekt des Ganzen.“
Grulich
hatte in der vergangenen Woche einen Anruf auf dem Handy bekommen und von dem Unglück
erfahren. Regelmäßig steht er in Kontakt mit Christen in der Türkei.
„Die
Bekannten sind noch selber sehr misstrauisch gegen alle Gerüchte. Alle sind zunächst
einmal schockiert, denn der Bischof war sehr beliebt. Ich habe ihn selber vor zwei
Jahren erlebt. Da bin ich nachts mit ihm ohne Leibwächter durch die Stadt gelaufen.
Er hatte keine Angst. Ich muss sagen, ich bin auch sehr betroffen, aber ich möchte
jetzt nicht Leute verdächtigen. Ich glaube, es muss alles getan werden, notfalls auch
mit Druck auf die Regierung, dass das Ganze wirklich aufgeklärt wird.“
Für
einen Nachfolger von Padovese kämen bei den italienischen Kapuzinern „einige gute
Leute“ in Frage, so Grulich. Der Kirchenhistoriker erinnert an die Benachteiligung
der Christen in der Türkei. Knapp 90.000 Christen leben in der Türkei. Nach inoffiziellen
Schätzungen etwa 60.000 armenische Christen, 15.000 Syrisch-Orthodoxe, 4.000 Griechisch-Orthodoxe
sowie jeweils 2.500 Protesten und 2.500 Katholiken.
„Eine Minderheit
von 0,1 Prozent im Lande hat immer Nachteile. Auf dem Gebiet hat Bischof Padovese
sehr offensiv die Lage dargestellt, er hat darauf hingewiesen, was alles im Argen
liegt. Man muss sagen, dass er doch in den letzten Jahren Manches erreicht hat. Etwa
die Rückgabe der Kirche der syrischen Katholiken in Iskerun, die ja ein Porno-Kino
gewesen ist. Er hat voller Hoffnung geglaubt, es ginge weiter. Er hat auch gehofft,
dass nach dem Paulus-Jahr sich etwas täte. Ich glaube, diese Hoffnung müssen wir auch
weiter tragen und alles tun, um die wenigen Christen dort zu unterstützen und um das
Vermächtnis des Bischofs zu erfüllen.“ (rv 10.06.2010 kk)