2010-06-09 15:43:23

Vatikan: „Im Fall Padovese fehlen uns Informationen“


Hat der Mord an Bischof Luigi Padovese im türkischen Iskenderun doch einen islamistischen Hintergrund? Das hat Vatikansprecher Federico Lombardi zuletzt nicht mehr klar ausgeschlossen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur kipa reagierte Pater Lombardi ausweichend auf jüngste Berichte renommierter Medien aus Rom und Madrid, wonach der Mord nicht die Tat eines Geistesgestörten gewesen sei, sondern einen eindeutig islamistischen Hintergrund habe. Der Vatikan soll unmittelbar nach dem Mord bereits diesbezügliche Informationen gehabt haben, habe diese jedoch wegen der Brisanz der Papstreise in das von einem Konflikt mit der Türkei gezeichnete Südzypern und wegen der Erinnerung an die Folgen der Regensburger Rede 2006 bewusst unter Verschluss gehalten, so die These der italienischen und spanischen Vatikanisten. Während der traditionellen „fliegenden Pressekonferenz“, die der Papst bei seinen Reisen während des jeweiligen Fluges abhält, hatte Benedikt XVI. am Freitag, 7. Juni, Bezug auf den Mord an Bischof Padovese genommen. „Es ist sicher, dass es sich nicht um einen politischen oder religiösen Mord handelt. Es handelt sich um eine persönliche Affäre“, hatte der Papst erklärt. Dabei hatte er aber eingeräumt, dass er im Besitz von noch zu wenigen Informationen sei. „Diese tragische Situation darf jetzt nicht mit dem Dialog mit dem Islam und überhaupt mit dem Verlauf, den Anliegen und den Sorgen der Reise vermischt werden“, erklärte Benedikt XVI. im Flugzeug. Die Tat sei traurig, dürfe aber nicht den Dialog mit dem Islam und die Intentionen der Reise verdunkeln.



Zweifel

Nach Abschluss der Papstreise enthüllte der Chefredakteur des Pressedienstes asianews der römischen Missionsgesellschaft Pime (Pontificio Istituto Missioni Estere), Bernardo Cervellera, allerdings: Der mutmaßliche Mörder, Murat Altun, habe nach der Tat laut eine islamische Dankformel gerufen. Dafür gebe es zuverlässige Zeugen. Altun habe verkündet: „Ich habe den großen Saten getötet - Allah Akbar.“ Zudem berichteten die Medien in Italien und Spanien am Mittwoch, dass Altun mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Helfer gehabt habe. Ein Attest, wonach er psychisch krank sei - das war türkischerseits sogleich behauptet worden -, existiere ebenfalls nicht. Zudem sei Altun Chauffeur des Bischofs gewesen; ein Attest über psychische Krankheit hätte zu Führerscheinentzug und Entlassung führen müssen. Befragt von der römischen französischsprachigen Agentur i.media sagte Lombardi am Mittwoch, er „warte noch“ auf weitere Informationen. Dann werde man „eine vollständigere Sicht der Situation haben“, und erst dann wäre eine Stellungnahme möglich. Wörtlich erklärte Lombardi: „Ich kann gar nichts sagen. Ich habe nicht alle notwendigen Elemente, damit ich mir ein vollständiges Bild der Ereignisse machen kann.“



Anklage erhoben

Luigi Padovese war am 6. Juni in seinem Haus in der südosttürkischen Hafenstadt Iskenderun - die Stadt ist der Bischofssitz für das 1990 von Johannes Paul II. gegründete Apostolische Vikariat Anatolien - erstochen worden. Gegen den mutmaßlichen Mörder, den 26-jährigen Murat Altun, wurde von der türkischen Justiz Anklage erhoben. Laut der Madrider Zeitung „El Pais“ habe Padovese von der türkischen Regierung wenige Tage vor seinem Tod einen Anruf aus Ankara bekommen, dass er sich in Acht nehmen solle, weil sein Chauffeur Murat Altun - er war seit vier Jahren im Dienst Padoveses und den Behörden gegenüber berichtspflichtig - in das Lager der islamistischen Fundamentalisten übergetreten sei. Der Anruf aus einer Regierungsstelle habe Padovese zu einer Vorsichtsmassnahme veranlasst, so „El Pais“. Der Bischof habe in der Folge die zwei Flugtickets für Zypern - eines für ihn und eines für Altun - storniert. Padovese hatte geplant, an der Papstmesse am 6. Juni im Sportpalast von Nikosia gemeinsam mit den Bischöfen des Nahen Ostens teilzunehmen.



Angst vor Attentat?

„Padovese zog es vor, in seiner Diözese zu bleiben. Er stornierte die Reise, weil er Angst hatte, dass sein Chauffeur die Situation der Nähe zum Papst ausnützen und ein Attentat verüben könnte“, so „El Pais“ unter Berufung auf Vatikanisten. Der Vatikan habe in der schwierigen Situation vor dem Abflug des Papstes - kurz nach dem Tod der türkischen Gaza-Aktivisten und nach der Ausweisung von 28 Mitarbeitern einer christlichen Hilfsorganisation aus Marokko - versucht, den Bischofsmord in Iskenderun herunterzuspielen, so „El Pais“. Die Hintergründe seien jedoch bereits bekannt gewesen, schrieb das Madrider Blatt. - Padovese gehörte zur Gemeinschaft der Kapuziner in der Türkei, die dort bereits seit über 150 Jahren tätig sind. Sie sind heute ausser in Iskenderun in einer Pfarre in Yesilköy bei Istanbul, in Mersin und Antakya (Antiochia) sowie im Heiligtum Meryem Ana in Ephesus präsent.



(kipa/diverse 09.06.2010 pr)








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