Vatikan: „Im Fall Padovese fehlen uns Informationen“
Hat der Mord an Bischof Luigi Padovese im türkischen Iskenderun doch einen islamistischen
Hintergrund? Das hat Vatikansprecher Federico Lombardi zuletzt nicht mehr klar ausgeschlossen.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur kipa reagierte Pater Lombardi ausweichend auf
jüngste Berichte renommierter Medien aus Rom und Madrid, wonach der Mord nicht die
Tat eines Geistesgestörten gewesen sei, sondern einen eindeutig islamistischen Hintergrund
habe. Der Vatikan soll unmittelbar nach dem Mord bereits diesbezügliche Informationen
gehabt haben, habe diese jedoch wegen der Brisanz der Papstreise in das von einem
Konflikt mit der Türkei gezeichnete Südzypern und wegen der Erinnerung an die Folgen
der Regensburger Rede 2006 bewusst unter Verschluss gehalten, so die These der italienischen
und spanischen Vatikanisten. Während der traditionellen „fliegenden Pressekonferenz“,
die der Papst bei seinen Reisen während des jeweiligen Fluges abhält, hatte Benedikt
XVI. am Freitag, 7. Juni, Bezug auf den Mord an Bischof Padovese genommen. „Es ist
sicher, dass es sich nicht um einen politischen oder religiösen Mord handelt. Es handelt
sich um eine persönliche Affäre“, hatte der Papst erklärt. Dabei hatte er aber eingeräumt,
dass er im Besitz von noch zu wenigen Informationen sei. „Diese tragische Situation
darf jetzt nicht mit dem Dialog mit dem Islam und überhaupt mit dem Verlauf, den Anliegen
und den Sorgen der Reise vermischt werden“, erklärte Benedikt XVI. im Flugzeug. Die
Tat sei traurig, dürfe aber nicht den Dialog mit dem Islam und die Intentionen der
Reise verdunkeln.
Zweifel
Nach Abschluss der Papstreise
enthüllte der Chefredakteur des Pressedienstes asianews der römischen Missionsgesellschaft
Pime (Pontificio Istituto Missioni Estere), Bernardo Cervellera, allerdings: Der mutmaßliche
Mörder, Murat Altun, habe nach der Tat laut eine islamische Dankformel gerufen. Dafür
gebe es zuverlässige Zeugen. Altun habe verkündet: „Ich habe den großen Saten getötet
- Allah Akbar.“ Zudem berichteten die Medien in Italien und Spanien am Mittwoch, dass
Altun mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Helfer gehabt habe. Ein Attest, wonach er
psychisch krank sei - das war türkischerseits sogleich behauptet worden -, existiere
ebenfalls nicht. Zudem sei Altun Chauffeur des Bischofs gewesen; ein Attest über psychische
Krankheit hätte zu Führerscheinentzug und Entlassung führen müssen. Befragt von der
römischen französischsprachigen Agentur i.media sagte Lombardi am Mittwoch, er „warte
noch“ auf weitere Informationen. Dann werde man „eine vollständigere Sicht der Situation
haben“, und erst dann wäre eine Stellungnahme möglich. Wörtlich erklärte Lombardi:
„Ich kann gar nichts sagen. Ich habe nicht alle notwendigen Elemente, damit ich mir
ein vollständiges Bild der Ereignisse machen kann.“
Anklage erhoben
Luigi
Padovese war am 6. Juni in seinem Haus in der südosttürkischen Hafenstadt Iskenderun
- die Stadt ist der Bischofssitz für das 1990 von Johannes Paul II. gegründete Apostolische
Vikariat Anatolien - erstochen worden. Gegen den mutmaßlichen Mörder, den 26-jährigen
Murat Altun, wurde von der türkischen Justiz Anklage erhoben. Laut der Madrider Zeitung
„El Pais“ habe Padovese von der türkischen Regierung wenige Tage vor seinem Tod einen
Anruf aus Ankara bekommen, dass er sich in Acht nehmen solle, weil sein Chauffeur
Murat Altun - er war seit vier Jahren im Dienst Padoveses und den Behörden gegenüber
berichtspflichtig - in das Lager der islamistischen Fundamentalisten übergetreten
sei. Der Anruf aus einer Regierungsstelle habe Padovese zu einer Vorsichtsmassnahme
veranlasst, so „El Pais“. Der Bischof habe in der Folge die zwei Flugtickets für Zypern
- eines für ihn und eines für Altun - storniert. Padovese hatte geplant, an der Papstmesse
am 6. Juni im Sportpalast von Nikosia gemeinsam mit den Bischöfen des Nahen Ostens
teilzunehmen.
Angst vor Attentat?
„Padovese zog es vor,
in seiner Diözese zu bleiben. Er stornierte die Reise, weil er Angst hatte, dass sein
Chauffeur die Situation der Nähe zum Papst ausnützen und ein Attentat verüben könnte“,
so „El Pais“ unter Berufung auf Vatikanisten. Der Vatikan habe in der schwierigen
Situation vor dem Abflug des Papstes - kurz nach dem Tod der türkischen Gaza-Aktivisten
und nach der Ausweisung von 28 Mitarbeitern einer christlichen Hilfsorganisation aus
Marokko - versucht, den Bischofsmord in Iskenderun herunterzuspielen, so „El Pais“.
Die Hintergründe seien jedoch bereits bekannt gewesen, schrieb das Madrider Blatt.
- Padovese gehörte zur Gemeinschaft der Kapuziner in der Türkei, die dort bereits
seit über 150 Jahren tätig sind. Sie sind heute ausser in Iskenderun in einer Pfarre
in Yesilköy bei Istanbul, in Mersin und Antakya (Antiochia) sowie im Heiligtum Meryem
Ana in Ephesus präsent.