Die Sparpläne der
deutschen Regierung setzen den Zusammenhalt der Gesellschaft aufs Spiel. Im Zuge der
angekündigten Sparmaßnahmen von CDU und FDP befürchten das nicht allein Gewerkschaften
und die Opposition – auch die Kirche hat Bedenken in diese Richtung. Es ist das größte
Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik: Die Einsparungen von – wie angekündigt
– 80 Milliarden Euro gefährden die deutsche Demokratie. Das meint Wolf Gero Reichert
vom katholischen Oswald von Nell-Breuning Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik.
Gegenüber dem Kölner domradio spricht der Theologe und Volkswirt außerdem von einer
„verzerrten Diskussion“ um das Thema Haushaltssanierung.
„Wir
tun so, als ob wir ein Sparprogramm durchführen müssten, das gleichsam wie eine Naturkatastrophe
über uns hereingebrochen ist. Aber man muss daran erinnern: Die Finanzprobleme resultieren
aus einer Finanzkrise, die vor allem von den Finanzeliten weltweit und in Deutschland
verursacht wurde. Dabei wäre jetzt das richtige und angebrachte Signal, eher bei denjenigen
zu sparen, die im Vorfeld dieser Krise extrem profitiert haben. Das sind vor allen
Dingen die Vermögensbesitzer und diejenigen, die in der Finanzbranche arbeiten – diese
Menschen wurden bislang nicht zur Verantwortung gezogen.“
Die
Frage, warum sich die Bundesregierung massiv dagegen wehrt, auch die Besserverdienenden
durch Steuererhöhungen mehr in die Pflicht zu nehmen, sei berechtigt, findet der Ökonom:
„Es
gibt einzelne Stimmen, vor allem auf der christdemokratischen Seite, die doch durchaus
aufgeschlossen sind, zum Beispiel gegenüber dem Vorschlag einer Finanztransaktionssteuer.
Es gibt wohl massiven Druck innerhalb der Koalition, vor allem wahrscheinlich zurückzuführen
auf Lobby-Verbände, die das verhindern sollen. Das ist das Demokratie gefährdende
an dieser Debatte, dass anscheinend mächtige Interessengruppen ihre Positionen direkt
in die Regierung hineintragen können und dass es dort keinen Ausgleich dieser Interessen
gibt, sondern sie einfach ungefiltert durchgesetzt werden.“
Kürzungen
bei den sozial Schwachen, etwa bei den Renten oder beim Elterngeld, sieht Reichert
hingegen mit großer Sorge.
„Wenn diese Sparpläne durchgehen,
wird wirklich bei denjenigen gekürzt, die sowieso die schwierigsten Voraussetzungen
haben, sich in dieser Gesellschaft beteiligen und entfalten zu können. Aber darüber
hinaus – jenseits der einzelnen Beträge – ist vor allem das Signal, das dabei ausgesandt
wird, am gefährlichsten: Es ist ein hochgradig Demokratie gefährdendes Signal, was
ausgesendet wird. Zum einen sendet die Regierung das Signal aus: Sie reagieren dann,
wenn Lobby-Gruppen etwas fordern, wie zum Beispiel die Hoteliers, die jetzt steuerlich
besser gestellt wurden, und auf der anderen Seite setzen sie dort den Rotstift an,
wo eben diejenigen sitzen, die sich nicht wehren können, die keine Lobby haben.“
Deshalb
mahnt Reichert angesichts der massiven Kürzungen:
„Diese
Reformen werden eher dazu beitragen, dass die Chancen und Möglichkeiten in unserer
Gesellschaft noch ungleicher verteilt werden. Und es zehrt vor allem den demokratischen
Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: dass jeder eigentlich gleiche Lebens- und Beteiligungschancen
haben sollte.“