D/EU: Verhältnis Religion-Staat ist nationale Angelegenheit
In der Debatte um religiöse Symbole im öffentlichen Raum haben sich sechs katholische
Laieninitiativen aus Europa für möglichst große nationale Ermessensspielräume ausgesprochen.
Angesichts der kulturellen Vielfalt Europas müsse es den einzelnen Staaten überlassen
bleiben, das jeweilige Verhältnis von Staat und Religion zu gestalten. Das erklärte
das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) am Mittwoch in Bonn. Die Verbände
aus Frankreich, Italien, Polen, Kroatien und der Slowakei äußern sich in einer „Drittintervention“
im Berufungsverfahren zum so genannten Kruzifixurteil des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte (EGMR). Der Schriftsatz, der in dieser Woche beim EGMR eingereicht
wurde, verweist darauf, dass die Europäische Menschenrechtskonvention dem Staat das
Recht einräumt, Bildungsinhalte festzulegen, und damit auch, Werte zu vermitteln.
Dies umfasst nach Auffassung der katholischen Laien auch das Aufhängen von Kreuzen
in Schulen. Die religiöse Bedeutung des Kreuzes stehe zudem in keiner Weise im Gegensatz
zur Menschenrechtskonvention, betonen die Laienverbände. Vielmehr stünden sowohl Konvention
als auch Kreuz für dieselben Werte, die unabdingbar für den Zusammenhalt einer Gesellschaft
seien. Keinesfalls dürfe der negativen Religionsfreiheit Vorrang vor der positiven
Religionsfreiheit eingeräumt werden. Das Abhängen von Kreuzen, so argumentieren die
Laienorganisationen, sei zudem nicht Ausdruck einer neutralen Haltung des Staates,
sondern vielmehr eine Aussage zugunsten einer säkularen, areligiösen Welt. – Die 2.
Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg hatte im November
entschieden, dass das obligatorische Anbringen von Kreuzen in öffentlichen Schulen
in Italien mit der staatlichen Neutralitätspflicht unvereinbar sei und das Grundrecht
der klagenden Mutter auf Erziehung sowie das Recht des Kindes auf negative Religionsfreiheit
verletze. Italien legte Berufung ein. Wann die große Kammer des Menschenrechtsgerichtshofs
neu verhandeln wird, ist noch nicht bekannt. Unterzeichnet haben die Erklärung neben
dem ZdK unter anderem die Semaines Sociales de France (SSF) und die Associazioni cristiane
lavoratori italiani (ACLI).