2010-05-28 08:12:10

Jesuit Dartmann: „Das Gespräch mit Opfern suchen“


RealAudioMP3 Der deutsche Jesuitenorden will verstärkt das Gespräch mit Missbrauchsopfern suchen. Das sagte der Leiter der Deutschen Jesuitenprovinz, Pater Stefan Dartmann, am Donnerstag in München. Dort war der offizielle Bericht zu den Missbrauchsfällen in Jesuiten-Einrichtungen vorgestellt worden. Über Jahre hinweg habe man im Orden die Opferperspektive nicht eingenommen, räumte Dartmann ein. Die Aufklärung müsse nun weitergehen; angesichts eines „Skandals, dessen Umfang kaum zu erahnen war“, habe auch er selbst viel dazugelernt. Dartmann:

„Wir müssen uns der Aufarbeitung noch mehr stellen. Wir sind noch nicht durch, wir können das, was geschehen ist, nicht einfach zur Vergangenheit erklären. Wir müssen an einzelnen Schulen, im Orden selber und unter Mitbrüdern die Dinge immer wieder ins Gespräch bringen. Aber wir müssen vor allen Dingen, das sehe ich ein und heute stärker als am Anfang, wirklich das Gespräch mit den Opfern suchen – ob das jetzt in Form des eckigen Tisches ist, ob das in persönlichen Gesprächen ist, das sei noch mal dahingestellt, aber der Dialog mit den Opfern ist wichtig.“

Der „eckige Tisch“ war von Missbrauchsopfern in Anspielung auf die „Runden Tische“ der Bundesregierung ins Leben gerufen worden; ihm gehören ehemalige Schüler der vier deutschen Jesuiten-Gymnasien an. Ein erstes Treffen zwischen Ordensvertretern und Mitgliedern der Vereinigung findet am Samstag in Berlin statt. Neben Dartmann werden auch dessen designierter Nachfolger Stefan Kiechle sowie Klaus Mertes vom Berliner Canisius-Kolleg und Johannes Siebner vom Kolleg Sankt Blasien dabei sein. Pater Dartmann dazu:

„Eckiger Tisch ist ein Tisch, den die Opfer anordnen, hätte ich fast gesagt, und auch bestimmen, wie er auszusehen hat. Wir lassen uns auf diese Bedingungen ein und wissen, das wird ein unangenehmer Tisch. Das ist ja auch der Vorwurf, der immer wieder erhoben wird: Bei der Diskussion sitzen die Opfer nicht mit am Tisch. Beim eckigen Tisch, das ist der große Vorteil, sitzen die Opfer mit am Tisch, sie haben ihn selber eingerichtet.“

Erste Aufgabe des Ordens sei es nun, so Dartmann weiter, die „für die Opfer notwendige Hilfe“ zu leisten. Was pauschale Opferentschädigungen betrifft, wolle man die Ergebnisse des Runden Tisches der Bundesregierung abwarten. Schließlich ginge es hier nicht um die Kirche allein:

„Ich habe deutlich die Position geäußert und wiederhole sie hier noch einmal, dass ich mir nicht vorstellen kann, dem Runden Tisch vorzugreifen, der ja nicht nur für die Kirche und die Orden, sondern auch für andere Verbände und Institutionen einfach die Kriterien erarbeiten will, wie so etwas wie Entschädigung geschehen kann und nach welchen Kriterien. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier einfach ein Orden vorprescht.“
 Einige Ausnahmen könne es hier freilich geben. Dartmann:
 „Ich schließe nicht aus, dass wir in Härtefällen finanzielle Entschädigung geben, ansonsten sehe ich die Aufgabe, bei Therapien, die von der Krankenkasse nicht finanziert werden, auch finanziell mitzuhelfen.“

Die konkreten Vorschläge der Missbrauchsbeauftragten Ursula Raue, die Autorin des Missbrauchsberichtes ist, würden in die Präventionskonzepte nun mit eingearbeitet, versicherte Dartmann weiter. Die Berliner Rechtsanwältin hatte für die Einsetzung regionaler Missbrauchsbeauftragter und Inanspruchnahme externer Berater plädiert. Der Provinzial gab zu, dass eine Haltung des „Nicht-Wissen-Wollens“ in weiten Kreisen des Ordens geherrscht habe, beziehungsweise teilweise noch immer herrsche. Hier wolle man „neu überlegen, wie einerseits Vertraulichkeit gewährleistet und andererseits Vertuschen verhindert werden kann“, so Dartmann wörtlich. Er bezog sich hierbei auf die so genannte Gewissensrechenschaft, ein jährlich oder zweijährig vorgesehenes, offenes Gespräch zwischen einzelnen Ordensmitgliedern und dem Provinzial. Vom Ausschluss beschuldigter Mitbrüder aus dem Orden sehe man vorerst ab, so Dartmann weiter. In den letzten Jahrzehnten habe der Orden in der Priesterausbildung schon Einiges verbessert, fügte er an. Raue hielt ihrerseits positiv fest, dass die Aufklärungsarbeit vom Jesuitenorden und den betreffenden Schulleitern in keiner Weise behindert worden sei. - 205 Opfer hatten sich bis zuletzt bei der Rechtsanwältin gemeldet. Unter den mutmaßlichen Tätern befinden sich auch weltliche Lehrer und Erzieher. Abzuwarten bleibt nun ein zweiter Bericht der Grünen-Politikerin Andrea Fischer. Die frühere Bundesgesundheitsministerin sei auf den Vorschlag von Opfern hin gebeten worden, eine „zweite Meinung“ zu erarbeiten, sagte der Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, Klaus Mertes. Man rechne jedoch mit keinem abweichenden Ergebnis, hieß es weiter.

(rv/pm 28.05.2010 pr)








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