2010-05-28 10:07:39

Jamaika: Kein Ende der Unruhen in Sicht


RealAudioMP3 Angesichts von Unruhen auf Jamaika ruft die Kirche der Karibikinsel zu Gebet und Gewaltlosigkeit auf. Bei Gefechten zwischen Sicherheitskräften und Mitgliedern einer Drogenbande in der Hauptstadt Kingston waren seit dem Wochenende 73 Menschen ums Leben gekommen. Nach dreitägigen Feuergefechten ist in der Stadt inzwischen weitgehend Ruhe eingekehrt, Polizeirazzien gehen aber weiter. Die USA hatte von der Regierung die Auslieferung des Drogenbosses Christopher „Dudus“ Coke verlangt. Im Interview mit unseren britischen Kollegen schildert der Erzbischof von Kingston die Situation. Bischof Donald Resse:

„In den Gebieten, wo Razzien stattgefunden haben, ist die Spannung natürlich noch groß. Im übrigen Teil der Insel eher nicht. Aber man kann nie wissen, wann es wieder eskaliert und sich die Unruhen auf andere Gebiete übertragen. Ich habe alle Priester und Gläubigen gebeten, alles zu tun, damit die Menschen die Ruhe bewahren, und sie zum Gebet aufgerufen.“

Der gesuchte Verbrecher soll für Drogenhandel in der Karibik, in Nordamerika und in Großbritannien verantwortlich sein. Bei großen Teilen der überwiegend jungen jamaikanischen Bevölkerung gilt er dagegen als moderner „Robin Hood“: Er ermöglicht Kindern den Schulbesuch, kauft Nahrungsmittel und schlichtet Streitigkeiten. Zusätzlich zur Gewalt sei zuletzt auch noch ein ganz anderes Problem hinzugekommen, so der Erzbischof:

„Die Konferenz der Kirchen von Jamaika, zu der auch die katholische Kirche gehört, hat festgestellt, dass der Premierminister nicht mehr in der Lage ist, das Land zu führen. Er war im Zusammenhang mit der von der US-Regierung geforderten Ausweisung des Drogenbosses selbst in Lügen und Unwahrheiten verstrickt! Die Folge: Einige Leute fordern seinen Rücktritt, andere nicht. Wir warten nun, was passiert. Sein Ruf ist beschädigt, finde ich. Er kann nicht mehr auf die eigene Glaubwürdigkeit zählen.“

Premierminister Bruce Golding hatte sich zuletzt aktiv für ein Auffinden des gesuchten Verbrechers eingesetzt und dafür von den USA Lob geerntet. Ein Ende der Unruhen sei vorerst nicht abzusehen, so der Erzbischof. Er habe selbst gehört, dass jungen Leuten Geld und Waffen ausgehändigt worden seien. Einige hätten bis zu Tausend jamaikanische Dollar bekommen.

„Das ist eine ganz schöne Summe, wenn man jemanden rekrutieren will! Der Kampf wird weitergehen, sie werden sich nicht ergeben, das kann sich noch über Tage, wenn nicht eine Woche oder länger hinziehen. Außerdem ist die Polizei in Sorge um andere Bezirke, in denen sich Waffen und Kämpfer befinden könnten. Sobald sie das Problem in der Hauptstadt gelöst haben, werden sie sich die anderen Zonen vornehmen, in denen sich die Leute eigene Gesetze machen.“

Nach inoffiziellen Berichten soll der Drogenboss Christopher „Dudus“ Coke Jamaika inzwischen verlassen haben. – Kriminalität ist eines der größten Probleme auf der Karibikinsel. Hauptursachen sind Armut und Arbeitslosigkeit, Landflucht - und nicht zuletzt die Wirtschaftskrise. Gerade Jugendliche sehen kriminelle Banden als schnelle Möglichkeit, an Geld zu kommen, an. Knapp zwei Drittel der jamaikanischen Bevölkerung gehören der protestantischen Kirche an, was ein Ergebnis der britischen Herrschaft über die Insel ist. Weiterhin sind Naturreligionen vertreten, die u. a. von afrikanischen Sklaven eingeführt wurden und sich mit anderen Kulturen und Religionen vermischten. Diese religiösen Strömungen sind mit den Santería auf Kuba und den Voodoo in Haiti vergleichbar. Weitere Minderheiten gehören dem Islam, dem Judentum sowie dem Buddhismus an.

(rv 28.05.2010 pr)







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