2010-05-27 08:52:07

Türkei: „Politik der Öffnung“ in Tarsus


RealAudioMP3 Im türkischen Tarsus soll es Christen künftig leichter möglich sein, Gottesdienst zu feiern. So soll etwa der Eintritt für die gegenwärtig als Museum genutzte Kirche wegfallen, wie die Türkische Bischofskonferenz an diesem Mittwoch vermelden ließ. Diese neue Richtung im Umgang mit dem Gotteshaus sei vor allem durch eine „Politik der Öffnung“ von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ermöglicht worden, heißt es. Das hält auch der Jesuitenpater Felix Körner für wahrscheinlich, der an der Päpstlichen Hochschule Gregoriana in Rom Theologie der Religionen unterrichtet und auf die christlich-muslimische Begegnung spezialisiert ist. Erdogans Initiative, die Verschiedenheit der türkischen Geschichte und der Bevölkerung ernst zu nehmen, sei ein „wirklich spannender Schritt hin zur Nationenwerdung“, betont der Türkeikenner:

 
„Denn am Anfang war die Türkei ja auf der Idee gegründet worden, 1923: Wir sind eine einheitliche Nation, und zwar auch ethnisch und religiös. Und da hatten die Christen gar keinen Platz. Man wusste gar nicht, wie in diese Nation auch Andersgläubige hineingehören. Und jetzt, mit einem Ministerpräsidenten, der sich selber als religiöser Mensch versteht, und weiß, was religiös sein auch an Bindung und persönlicher Wahl und Entscheidung bedeutet, findet man in der Regierung und hinuntersickernd auch mehr und mehr in der Gesellschaft, dass in dieses Projekt „Neue Türkei“ auch die Buntheit von Religionen und ihr Recht auf private und öffentliche Religionsausübung hineingehören.“

 

Die öffentliche Wahrnehmung, meint der Jesuitenpater, sei besonders durch die zahlreichen christlichen Pilger für dieses Thema sensibilisiert worden:

„Dass zum Beispiel Menschen aus den USA, aus Korea, vor allem aber aus Europa kommen, um die Frühgeschichte der Türkei zu besichtigen, hat den Türken auch einen neuen Stolz gegeben: Wir haben hier etwas anzubieten, das nicht nur unser Boden, sondern unsere Identität ist!“

Ein weiterer Fürsprecher in Sachen Tarsus-Kirche sei auch der türkische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Kenan Gürsoy, mutmaßen Medienberichte. Für Pater Körner steht in jedem Fall fest:

„Die Türkei macht momentan auf politischer und gesellschaftlicher Seite ein paar wichtige Entwicklungsschritte durch. Man merkt, dass das Verständnis für die religiöse Pluralität und die Berechtigung nicht-muslimischer Gläubiger Sinn hat. Und man merkt, dass das für die Demokratisierungsprozesse in der Türkei wichtig ist, und da gibt es Einsichtsvorgänge.“

 
Das sei wirklich zu begrüßen. Der Jesuit betont aber gleichzeitig:

„Wir können noch nicht sagen, dass wir jetzt mit allem zufrieden sind, aber der Prozess geht weiter – übrigens wie in vielen Ländern, die schon zur europäischen Union gehören, auch. Wir müssen diesen Prozess weiter kritisch begleiten, müssen unsere Fragen stellen und unsere Bedürfnisse äußern. Und die katholische Kirche und die anderen Kirchen, die es in der Türkei gibt, haben die Aufgabe, da ganz ehrlich ihre Wünsche zu benennen.“

Die Kirche in Tarsus war während des Paulusjahres 2009 vorübergehend für Gottesdienste geöffnet worden. Seither wird sie jedoch wieder als Museum genutzt. Kurienkardinäle und Bischöfe aus zahlreichen Ländern, unter anderem der Kölner Kardinal Joachim Meisner, hatten die Türkei aufgerufen, die Kirche im Geburtsort des Apostels Paulus wieder für Gottesdienste zu öffnen. Das türkische staatliche Religionsamt (Diyanet) hatte sich schon Anfang des Jahres in diesem Sinne ausgesprochen. Der türkische Kulturminister Ertugrul Günay hatte das zuständige Stiftungsamt im März schriftlich ersucht, die Pauluskirche für eine religiöse Nutzung freizugeben.

(kipa/rv 27.05.2010 vp)








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