Im türkischen Tarsus
soll es Christen künftig leichter möglich sein, Gottesdienst zu feiern. So soll etwa
der Eintritt für die gegenwärtig als Museum genutzte Kirche wegfallen, wie die Türkische
Bischofskonferenz an diesem Mittwoch vermelden ließ. Diese neue Richtung im Umgang
mit dem Gotteshaus sei vor allem durch eine „Politik der Öffnung“ von Ministerpräsident
Recep Tayyip Erdogan ermöglicht worden, heißt es. Das hält auch der Jesuitenpater
Felix Körner für wahrscheinlich, der an der Päpstlichen Hochschule Gregoriana in Rom
Theologie der Religionen unterrichtet und auf die christlich-muslimische Begegnung
spezialisiert ist. Erdogans Initiative, die Verschiedenheit der türkischen Geschichte
und der Bevölkerung ernst zu nehmen, sei ein „wirklich spannender Schritt hin zur
Nationenwerdung“, betont der Türkeikenner:
„Denn am Anfang war
die Türkei ja auf der Idee gegründet worden, 1923: Wir sind eine einheitliche Nation,
und zwar auch ethnisch und religiös. Und da hatten die Christen gar keinen Platz.
Man wusste gar nicht, wie in diese Nation auch Andersgläubige hineingehören. Und jetzt,
mit einem Ministerpräsidenten, der sich selber als religiöser Mensch versteht, und
weiß, was religiös sein auch an Bindung und persönlicher Wahl und Entscheidung bedeutet,
findet man in der Regierung und hinuntersickernd auch mehr und mehr in der Gesellschaft,
dass in dieses Projekt „Neue Türkei“ auch die Buntheit von Religionen und ihr Recht
auf private und öffentliche Religionsausübung hineingehören.“
Die
öffentliche Wahrnehmung, meint der Jesuitenpater, sei besonders durch die zahlreichen
christlichen Pilger für dieses Thema sensibilisiert worden:
„Dass zum Beispiel
Menschen aus den USA, aus Korea, vor allem aber aus Europa kommen, um die Frühgeschichte
der Türkei zu besichtigen, hat den Türken auch einen neuen Stolz gegeben: Wir haben
hier etwas anzubieten, das nicht nur unser Boden, sondern unsere Identität ist!“
Ein
weiterer Fürsprecher in Sachen Tarsus-Kirche sei auch der türkische Botschafter beim
Heiligen Stuhl, Kenan Gürsoy, mutmaßen Medienberichte. Für Pater Körner steht in jedem
Fall fest:
„Die Türkei macht momentan auf politischer und gesellschaftlicher
Seite ein paar wichtige Entwicklungsschritte durch. Man merkt, dass das Verständnis
für die religiöse Pluralität und die Berechtigung nicht-muslimischer Gläubiger Sinn
hat. Und man merkt, dass das für die Demokratisierungsprozesse in der Türkei wichtig
ist, und da gibt es Einsichtsvorgänge.“
Das sei wirklich
zu begrüßen. Der Jesuit betont aber gleichzeitig:
„Wir können noch nicht
sagen, dass wir jetzt mit allem zufrieden sind, aber der Prozess geht weiter – übrigens
wie in vielen Ländern, die schon zur europäischen Union gehören, auch. Wir müssen
diesen Prozess weiter kritisch begleiten, müssen unsere Fragen stellen und unsere
Bedürfnisse äußern. Und die katholische Kirche und die anderen Kirchen, die es in
der Türkei gibt, haben die Aufgabe, da ganz ehrlich ihre Wünsche zu benennen.“
Die
Kirche in Tarsus war während des Paulusjahres 2009 vorübergehend für Gottesdienste
geöffnet worden. Seither wird sie jedoch wieder als Museum genutzt. Kurienkardinäle
und Bischöfe aus zahlreichen Ländern, unter anderem der Kölner Kardinal Joachim Meisner,
hatten die Türkei aufgerufen, die Kirche im Geburtsort des Apostels Paulus wieder
für Gottesdienste zu öffnen. Das türkische staatliche Religionsamt (Diyanet) hatte
sich schon Anfang des Jahres in diesem Sinne ausgesprochen. Der türkische Kulturminister
Ertugrul Günay hatte das zuständige Stiftungsamt im März schriftlich ersucht, die
Pauluskirche für eine religiöse Nutzung freizugeben.