2010-05-22 14:55:02

Moraltheologe Schockenhoff: Ein Motor, nicht das Leben selbst


RealAudioMP3 Ein Raunen ging durch die Wissenschaft: Erstmals sei es gelungen, künstliches Leben zu erschaffen. Genauer gesagt soll der amerikanische Gen-Forscher Craig Venter im Labor eine künstliche Zelle erzeugt haben, die von einer synthetischen DNS kontrolliert wird und sich wie eine natürliche Zelle teilen und vermehren kann. Die Vatikanzeitung „Osservatore romano“ titelt in ihrer Samstagsausgabe, „Un ottimo motore, ma non è la vita“. Trifft dieser Titel den Sachverhalt? Das haben wir Eberhard Schockenhoff, der Professor für Moraltheologie in Freiburg ist, gefragt:

„Die Formulierung, „Ein guter Motor, aber das ist nicht Leben“, ist insofern berechtigt, als auch Craig Venter mit seiner Synthetisierung genetischer Muster ja noch Anleihen machen muss aus natürlichem Leben. Er braucht Bakterien und Hefezellen, um diese Bakterien dann tatsächlich ins Dasein treten zu lassen. Also kann er nicht einhundertprozentig künstliches Leben herstellen. Aber er hat mit der genetischen Information einen entscheidenden Schritt getan, so wie der Motor in einer komplizierten Maschine. So ist das eben auch ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Allerdings lässt sich das Leben nicht auf seine genetischen Informationen beschränken.“ 
Craig Venter selbst hat laut Medienberichten betont, dass er Leben nicht von Grund auf neu schaffe, sondern das Material des Lebens, die Bausteine der DNS, neu zusammensetze und damit auf mehr als drei Milliarden Jahre Evolution aufbaue. Schockenhoff, der seit 2008 Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, erklärt dazu:

„Im bisherigen Verlauf hat der Mensch eigentlich immer nur Vorgänge in der Natur kopieren und neu kombinieren können. Das ist im Prinzip auch jetzt der Fall. Aber der Anteil an Künstlichem, wirklich Neuem, das zwar durch eine Rekombination natürlicher Muster geschieht, aber dann eben etwas Neues darstellt, ist jetzt doch deutlich höher, als das bislang der Fall war.“
 
Der Naturbezug des Menschen werde dabei schon in einem höheren Maße versachlicht, vermerkt der Moraltheologe.

„Aber da ist es schwer, eine kategorische Grenze anzugeben: Der Mensch greift in die Natur ein, das macht er seit der Erfindung des Faustkeils, er bedient sich der Natur, um seine Daseinsmöglichkeiten zu verbessern, zum Beispiel, um Krankheiten zu bekämpfen. Hier gibt es keine kategorische Grenze, wie dort, wo etwa die Menschenwürde verletzt ist. Deshalb kann man immer nur im Nachhinein sagen, ob eine Grenze überschritten ist. Im Augenblick scheint mir das aber nicht der Fall zu sein, man muss wohl eher sagen: Respekt vor dieser wissenschaftlichen Leistung. Wenn es in Zukunft möglich sein wird, davon zu profitieren, etwa in der Gewinnung alternativer Energiequellen, dann ist das eine für die Menschheit wirklich gute Errungenschaft gewesen.“ 
(rv 22.05.2010 vp)







All the contents on this site are copyrighted ©.