Moraltheologe Schockenhoff: Ein Motor, nicht das Leben selbst
Ein Raunen ging durch
die Wissenschaft: Erstmals sei es gelungen, künstliches Leben zu erschaffen. Genauer
gesagt soll der amerikanische Gen-Forscher Craig Venter im Labor eine künstliche Zelle
erzeugt haben, die von einer synthetischen DNS kontrolliert wird und sich wie eine
natürliche Zelle teilen und vermehren kann. Die Vatikanzeitung „Osservatore romano“
titelt in ihrer Samstagsausgabe, „Un ottimo motore, ma non è la vita“. Trifft dieser
Titel den Sachverhalt? Das haben wir Eberhard Schockenhoff, der Professor für Moraltheologie
in Freiburg ist, gefragt:
„Die Formulierung, „Ein guter Motor, aber das
ist nicht Leben“, ist insofern berechtigt, als auch Craig Venter mit seiner Synthetisierung
genetischer Muster ja noch Anleihen machen muss aus natürlichem Leben. Er braucht
Bakterien und Hefezellen, um diese Bakterien dann tatsächlich ins Dasein treten zu
lassen. Also kann er nicht einhundertprozentig künstliches Leben herstellen. Aber
er hat mit der genetischen Information einen entscheidenden Schritt getan, so wie
der Motor in einer komplizierten Maschine. So ist das eben auch ein wichtiger Bestandteil
des Lebens. Allerdings lässt sich das Leben nicht auf seine genetischen Informationen
beschränken.“ Craig Venter selbst hat laut Medienberichten betont, dass er
Leben nicht von Grund auf neu schaffe, sondern das Material des Lebens, die Bausteine
der DNS, neu zusammensetze und damit auf mehr als drei Milliarden Jahre Evolution
aufbaue. Schockenhoff, der seit 2008 Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, erklärt
dazu:
„Im bisherigen Verlauf hat der Mensch eigentlich immer nur Vorgänge
in der Natur kopieren und neu kombinieren können. Das ist im Prinzip auch jetzt der
Fall. Aber der Anteil an Künstlichem, wirklich Neuem, das zwar durch eine Rekombination
natürlicher Muster geschieht, aber dann eben etwas Neues darstellt, ist jetzt doch
deutlich höher, als das bislang der Fall war.“ Der Naturbezug des
Menschen werde dabei schon in einem höheren Maße versachlicht, vermerkt der Moraltheologe.
„Aber
da ist es schwer, eine kategorische Grenze anzugeben: Der Mensch greift in die Natur
ein, das macht er seit der Erfindung des Faustkeils, er bedient sich der Natur, um
seine Daseinsmöglichkeiten zu verbessern, zum Beispiel, um Krankheiten zu bekämpfen.
Hier gibt es keine kategorische Grenze, wie dort, wo etwa die Menschenwürde verletzt
ist. Deshalb kann man immer nur im Nachhinein sagen, ob eine Grenze überschritten
ist. Im Augenblick scheint mir das aber nicht der Fall zu sein, man muss wohl eher
sagen: Respekt vor dieser wissenschaftlichen Leistung. Wenn es in Zukunft möglich
sein wird, davon zu profitieren, etwa in der Gewinnung alternativer Energiequellen,
dann ist das eine für die Menschheit wirklich gute Errungenschaft gewesen.“ (rv
22.05.2010 vp)