2010-05-21 15:04:07

Diakonie Katastrophenhilfe: „Die Piraterie ist nicht Somalias größtes Problem“


RealAudioMP3 Mit einer internationalen Konferenz wollen die Vereinten Nationen und die Türkei dem von jahrzehntelanger Anarchie zerrütteten Somalia auf die Beine helfen. Auf der an diesem Freitag in Istanbul beginnenden Tagung wird ein Thema die Piraterie sein, die vor der Küste des Landes oft von somalischen Gruppen ausgeht. Das allein zu diskutieren reiche aber nicht aus, unterstreicht der Sprecher der Diakonie Katastrophenhilfe Deutschland, Rainer Lang:

„Einmal ist das ganz wichtig, dass die internationale Aufmerksamkeit wieder auf das Land und die Situation der Menschen dort abzielt. Das Wichtigste ist eine realistische Beurteilung der unterschiedlichen politischen Gruppen und, dass man sich zum Zeil setzt, alle politischen Gruppierungen an den Verhandlungstisch zu bekommen – ohne gleich eine politische Gruppe gleich dem Lager der Terroristen zuzuordnen, wie das bei den islamischen Gerichten der Fall war. Denn das führt zu einer weiteren Spaltung des Landes.“ 
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte im Vorfeld der Konferenz, er werde nicht akzeptieren, dass ein Land und ein Volk von der Staatengemeinschaft verlassen oder ignoriert werde. Dieses entschiedene Engagement begrüßt Diakoniesprecher Lang:

„Ich denke, dass sich da schon viel getan hat, dass man aus Fehlern der Vergangenheit ein Stück gelernt hat. Jetzt steht zur Debatte, wie man einerseits die kriminellen Clan-Machenschaften begrenzen und die einzelnen Gruppen zum Gespräch bringen kann. Inzwischen hat auch die internationale Politik im Blick, dass das der einzig gangbare Weg ist. Dass die Verurteilung von Teilgruppenoder irgendwelche militärischen Lösungen nicht zum Ziel, sondern zu noch größerem Chaos führen.“ 
Die Diakonie ist eine der wenigen verbleibenden Hilfsorganisationen aus Deutschland, deren Mitarbeiter in Somalia im Einsatz sind. Für die meisten Werke stellt die Lage in dem zerrütteten Land eine zu große Gefährdung ihrer Helfer dar.

„Deswegen beobachten wir die Sitaution mit Bangen. Weil wir die Gefährdung unserer lokalen Mitarbeiter sehen, die vermehrt in Berichten schreiben, dass sie jetzt verdeckt arbeiten müssen. Sie trauen sich nicht mehr, öffentlich als Helfer aufzutreten, sondern fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Flüchtlingslager, die sie betreuen, um möglicht unauffällig zu arbeiten. Immer wieder könnte da ein neuer Todesfall auftreten.“ 
Von „neuen“ Todesfällen spricht Lang deswegen, weil in der Vergangenheit bereits einige Diakonie-Mitarbeiter ihr Leben bei Anschlägen verloren haben. Im vorletzten Jahr ist der stellvertretende Rektor der Partnerorganisation in Somalia, Mohamoud Mohamed Kheire, ums Leben gekommen. Doch woher rühren diese Aggressionen gegen internationale Helfer?

„Einmal kommt da ins Spiel, dass die Helfer von westlichen Organisationen finanziert werden. Da kommt eine bestimmte Aversion auf, dass das wieder eine Intervention sein könnte, weil man ausländische Mächte nicht im Land haben will. Von politischen Gruppen wird dabei behauptet, dass alles von den USA gesteuert wird. Diese Vorbehalte äußern sich dann in Gewalt. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass die generelle Lage destabilisiert wird, wenn man die Hilfsorganisationen als Zielscheibe nimmt. Und das ist die Absicht einiger politischer oder krimineller Gruppen, aber auch von Clans, die in bestimmten Gebieten an die Macht wollen. Deshalb ist es ja so schwierig, politisches Handeln von lokalen oder regionalen Ambitionen oder kriminellen Machenschaften zu unterscheiden.“ 
In Somalia ist die staatliche Ordnung seit dem Sturz von Diktator Siad Barre 1991 faktisch zusammengebrochen. In weiten Teilen herrschen Anarchie und Bürgerkrieg.

(rv 21.05.2010 vp)







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