2010-05-21 16:42:07

Botschafter Horstmann: „Kulturelle Vielfalt ist Reichtum der Menschheit“ 


Hier lesen und hören Sie einen Beitrag des deutschen Botschafters beim Heiligen Stuhl, Hans Henning Horstmann, zum Thema „Interkultureller Dialog“: 
RealAudioMP3 Sehr verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer,

die Vielfalt der Kulturen in Europa und in der Welt ist zum Einen eine stete Bereicherung für die Menschheit. Sie hat seit tausenden von Jahren zu Begegnung und Forschung geführt. Als herausragende deutsche Persönlichkeit nenne ich beispielhaft Alexander von Humboldt. Zum Anderen haben Könige und Fürsten aus aller Welt bis heute versucht, ihre Macht durch Kreuz- und Feldzüge zu vergrößern. Andere Kulturen wurden als fremd und bedrohlich empfunden. Das heißt, das große Mosaik der Weltkulturen hat ein Janusgesicht: gegenseitige Bereicherung und gegenseitige Vernichtung.

Papst Benedikt XVI. hat bei seinem Portugal-Besuch am 12. Mai in einer Rede aus der Enzyklika "Ecclesiam suam" von Paul VI. zitiert: "Die Kirche muss einen Dialog mit der Welt finden, in der sie lebt". Der Papst hat verdeutlicht, dass dieser Dialog eine Priorität für die Kirche hat. Er hat am Beispiel des Nord-Süd-Zentrums des Europarates in Lissabon klargestellt, dass es darum geht, über Dialog und Kooperation z.B. zwischen Europa und Afrika eine Weltbürgerschaft zu entwickeln, die sich auf die Menschenrechte und die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger gründet, unabhängig von den ethnischen Ursprüngen, politischen Zugehörigkeiten und im Respekt vor den unterschiedlichen religiösen Glaubensgemeinschaften.

Dieser Ruf des Heiligen Vaters muss heute mehr denn je gehört werden: in Portugal, in Deutschland, in Europa und in der Welt. Der Appell steht in der Tradition des Pontifikates von Benedikt XVI., der stets das Gespräch mit anderen Kulturen und Religionen gesucht hat. Der Dialog ist zunächst eine Begegnung im täglichen Leben, eine Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und Verständnis, um so den gegenseitigen Respekt vor dem Anderssein zu erwerben und zu fördern. Der Dialog beginnt mit der Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit des Anderen und schafft so das Vertrauen, um dann zu einem Gespräch über religiöse Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu führen.

In Deutschland, dem Land der Ökumene, haben wir nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges durch eine kooperative Laizität das Zusammensein verschiedener Religionen und Kulturen ermöglicht. Besondere Bedeutung hat der Dialog mit dem Islam. Als Beispiele: Das deutsche Institut für Auslandsbeziehungen hat das beeindruckende Projekt der "Cross Culture Praktika" entwickelt: junge Berufstätige aus muslimisch geprägten Staaten arbeiten in deutschen Betrieben und öffentlichen Institutionen, und junge Deutsche tun dies in muslimischen Staaten. So werden gleichzeitig wichtige Fachkenntnisse, vor allem aber interkulturelle Kompetenzen erworben. Denn Kulturen oder Religionen können nicht miteinander sprechen, es sind die persönlichen Begegnungen, die bereichern und Brücken bauen. Zu diesem Dialog trägt das deutsche Auswärtige Amt bei. Junge Diplomaten aus Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten kommen zu einem mehrwöchigen Aufenthalt nach Deutschland, um vorgefasste Meinungen durch eigene Erfahrungen zu erweitern und Vertrauen zu schaffen. Ein drittes Beispiel: Am 17. Mai hat die erste Plenarsitzung der deutschen Islamkonferenz in der 2009 begonnenen Legislaturperiode stattgefunden. Darüber hinaus hat die Interkulturelle Woche/Woche des ausländischen Mitbürgers Tradition. Zu ihr haben die Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche in Deutschland und der griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland eingeladen, um die Anstrengungen zu einer Verbesserung der Chancengleichheit von Migranten in der deutschen Gesellschaft zu fördern: beim Zugang zum Arbeitsmarkt, bei den Bildungsmöglichkeiten und bei der umfassenden gesellschaftlichen Partizipation. Schlüssel für Integration ist Bildung. Das katholische Bildungswesen ist nicht nur in Deutschland sondern weltweit besonders gefragt, weil nicht nur Wissen vermittelt wird, sondern der Mensch in einem klaren Wertesystem erzogen und so gebildet wird.

Europa hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Europarat, die Europäische Union und vielfältige grenzüberschreitende europäische gesellschaftliche und kirchliche Initiativen Möglichkeiten gegeben, dass nicht nur der Warenaustausch, sondern vor allem der kulturelle Dialog gefördert wird. Hohe Bedeutung haben die Europaschulen und die bilingualen Gymnasien, die sowohl zum Abitur als auch zur Maturità führen.

Weltweit sehen wir täglich den mörderischen Krisenbogen von Pakistan über Afghanistan, den Nahen Osten bis nach Nordafrika. Dieser Krisenbogen verdeutlicht wie kein anderer: eine frühzeitige umfassende Krisen- und Konfliktanalyse hat versagt und somit eine Politik der Prävention nicht ermöglicht. Dies ist für mich die Herausforderung des 21. Jahrhunderts: den Worten des prevenire muss endlich eine entschlossene politische und gesellschaftliche Aktion folgen. Die Generalsynode der römisch-katholischen Weltkirche für den Nahen Osten im Oktober in Rom kann für eine solche Politik neue Wegweisungen geben.

(rv 21.05.2010 vp)







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