Islamwissenschaftler: „Muslime müssen sich als Religionsgemeinschaft beweisen“
Deutschlands Muslime
brauchen eine verfassungsrechtliche Vertretung als Religionsgemeinschaft. Und sie
müssen das Grundgesetz, wie etwa die Trennung von Staat und Religion, geschlossen
akzeptieren. Daran erinnert der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban im Interview mit
uns - und zwar mit Blick auf die Deutsche Islamkonferenz (DIK), die in diesen Tagen
zusammenkommt. Ghadban war einer der Experten der DIK-Arbeitsgruppe „Islamismus und
Sicherheit“, der den Ausschluss des Islamrates aus der Konferenz empfahl. Die Vereinigung
soll Gelder zugunsten radikaler Organisationen gewaschen haben. Der Migrationsforscher
sagte im Gespräch mit Anne Preckel:
„Die Muslime müssen dem Gesetzgeber,
den Gerichten, der Bevölkerung in Deutschland beweisen, dass sie religiöse Institutionen
sind und keine politischen. Das ist bis heute nicht passiert. Und wenn sie wirklich
religiöse Organisationen werden, setzt das voraus, dass ein Prozess der Säkularisierung
bei ihnen stattgefunden hat, auch eine theologische Arbeit. Davon sind sie aber sehr
weit entfernt. Der richtige Weg wäre der Rechtsweg, sie müssen die Anforderungen des
Grundgesetzes erfüllen, dann werden sie als Religionsgemeinschaft anerkannt.“
Ein
zweites Problem der Muslime in Deutschland sei organisatorischer Natur, so Ghadban.
Die deutsche Politik müsse sich mit Verbänden auseinandersetzen, die jeweils unterschiedliche
Richtungen des Islam verträten und untereinander uneinig seien. Darüber hinaus seien
weit nicht alle Muslime in Verbänden organisiert. Die auf der aktuellen Islamkonferenz
anwesenden Vereine könnten also nicht als Vertretung der 4 Millionen Muslime in Deutschland
gelten, auch wenn sie Entscheidungsmacht hätten:
„Diese Organisationen
vertreten im besten Fall 15 Prozent der Muslime. Wenn zwei Dachorganisationen ausfallen,
ist das ein geringer, aber bedeutender Teil, weil diese Organisationen das Religiöse
verwalten, das heißt, sie besitzen die Moscheen. Ich gehe davon aus, dass mit diesen
beiden Dachverbänden 450 Moscheegemeinden ausgeschlossen werden.“
Nach
Ausschluss des Islamrates von der Islamkonferenz durch das Bundesinnenministerium
hatte der Zentralrat der Muslime in Deutschland seine Teilnahme aufgekündigt, aus
Gründen der Solidarität. Er sehe die dringendsten Probleme der Muslime in Deutschland
auf der Konferenz nicht behandelt, hieß es weiter, und vermisse die Themenbereiche
Islamophobie und Rassismus. Schön und gut, so Ghadban - Hintergrund der Querelen sei
aber ein ganz anderer:
„Es geht da um einen Machtkampf zwischen
Verbänden, die Anspruch erheben, die Muslime zu vertreten, und zwischen dem Staat,
der zu Ergebnissen kommen will und der Meinung ist, dass die Gespräche mit manchen
Gruppen zu nichts führen, wie die Ergebnisse der ersten Islamkonferenz gezeigt haben.“
Die
erste Deutsche Islamkonferenz fand im September 2006 in Berlin statt. Ein Ergebnis
der regelmäßigen Sitzungen von Islamvertretern, deutschen Politikern und Experten
war bisher die Gründung des Koordinierungsrates der Muslime. Mit dem Gremium wurde
die Forderung der Bundesregierung nach einem Zusammenschluss der Muslime erfüllt.
In Punkto Integration und Mitbestimmungsrechte müsse sich die Glaubensgemeinschaft
jedoch noch stärker einbringen, so Migrationsforscher Ghadban. Er nennt als Beispiel
den Islamunterricht an öffentlichen Schulen, der in Deutschland nur von Vertretern
anerkannter Religionsgemeinschaften erteilt werden kann.
„Diese
Erfahrung wurde in verschiedenen Bundesländern angefangen und zwar, weil die muslimische
Gemeinschaft ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, um als Religionsgemeinschaft anerkannt
zu werden. Das hätte alle unsere Probleme gelöst. Aber sie weigern sich mit der Begründung,
ein solcher Islamunterricht bedeute eine Verkirchlichung des Islam! Also da müssen
die Muslime auf Verbandsebene noch gehörig Ballast abwerfen... Sie müssen ihre religiöse
Zusammenarbeit organisieren, sich religiös besinnen, nicht politisch.“