„Bürgerkriegsähnliche
Zustände“ – „Bewaffneter Konflikt“: Wenn es um Afghanistan geht, sind deutsche Politiker
in ihrer Wortwahl erfinderisch, um nicht „Krieg“ sagen zu müssen. Dabei trifft das
K-Wort die Zustände am Hindukusch immer noch am besten, meint Joseph Sayer, der Präsident
des katholischen bischöflichen Hilfswerks Misereor:
„Die Sache ist relativ
verfahren, und man muss einfach zu den Fakten stehen: Es ist faktisch ein Krieg. Misereor
war dort präsent während der sowjetischen Besatzung und auch schon davor, und dann
während der Taliban-Zeit – wir haben dort unsere Gesundheitsprojekte durchgeführt,
und das ging eigentlich sehr gut. Es ist eben ganz entscheidend, dass wir bei der
lokalen Kultur vor Ort ansetzen; Demokratie-Export in unserem Sinne nach Afghanistan,
das scheint mir äußerst problematisch zu sein.“
„Nichts ist gut in Afghanistan“
– dieses Diktum der (damaligen) evangelischen Bischöfin Margot Käßmann (das sie vor
ein paar Tagen wiederholte) hat schon zu Jahresbeginn zu einer heftigen Debatte in
Deutschland geführt. Sie könne keinen „Vorrang für Zivil“ erkennen, so die streitbare
Lutheranerin wörtlich. Der katholische „Friedens-Bischof“ Heinz Josef Algermissen
hat Käßmann letzte Woche entschieden widersprochen: Ein solcher pauschaler „Rundumschlag“
sei inakzeptabel, „wenn nicht dumm“. Dies werde den zivilen Hilfsprojekten in dem
Land nicht gerecht. Ähnlich sieht das auch Prälat Sayer:
„Ich glaube schon,
dass Deutschland nicht nur Waffen exportiert, sondern mit seiner Entwicklungszusammenarbeit
staatlicherseits, aber auch, was die Zivilgesellschaft oder die Kirchen betrifft (misereor,
Brot für die Welt etc.), viel leistet an Aufbau der Zivilgesellschaft – und an Bewußtseinsbildung
als Voraussetzung für Demokratie. Es ist ganz entscheidend, dass wir versuchen, Rechtssysteme
aufzubauen und abzustützen, als Voraussetzung für Rechtsstaatlichkeit.“