Naher Osten: „Friedensgespräche noch von Misstrauen gezeichnet“
Frieden auf Distanz
kann es nicht geben. Das hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
angesichts der seit einer Woche wiederaufgenommenen Verhandlungen zwischen Palästina
und Israel betont. Friedensakteur und Vermittler ist der US-Diplomat für den Mittleren
Osten, George Mitchell. Mit seiner Hilfe soll die nunmehr seit 18 Monaten vorhaltende
Pattsituation zwischen Israeli und Palästinensern überwunden werden – Begegnungen
von Angesicht zu Angesicht sollen folgen. Der Kustos des Heiligen Landes, Pater Pierbattista
Pizzaballa, dämpft jedoch allzu euphorische Hoffnungen und erklärt gegenüber Radio
Vatikan:
„Um ehrlich zu sein, ist noch nicht von einem positiveren Klima
die Rede. Das wäre auch noch völlig verfrüht. Schließlich kommen wir aus einer Phase
ohne jegliche Verhandlungen, dafür aber voller gegenseitiger Verdächtigungen – wenigstens
auf politischer Ebene. Und um das hinter uns zu lassen, braucht es mehr, als zögerliche
Zusammenkünfte. Man wird abwarten müssen, ob die ersten Treffen das Eis zwischen den
beiden Verhandlungspartnern brechen oder ob zum hundertsten Mal taktiert wird, ohne
dass sich an der Situation etwas verändert. Die öffentliche Meinung dazu ist eher
etwas unterkühlt. Und ähnlich bewerten das auch die Zeitungen.“ Von „Gesprächen
auf Umwegen“ über den von Obama entsandten Diplomaten Mitchell ist die Rede. Zwischen
den Stühlen sitze dieser, heißt es im Medienecho, weil sich Israeli und Palästinenser
nicht gemeinsam an einen Tisch bringen ließen. Sind die Spannungen wirklich derart
stark?
„Im Alltag spüren wir das nicht so deutlich. Zu lange schon ist die
Situation unverändert. Hinsichtlich der Gespräche fehlt aber sicherlich das gegenseitige
Vertrauen, das erstmal da sein müsste, um schließlich auch die öffentliche Wahrnehmung
zu beeinflussen. So kann man nur hoffen, dass sich an die indirekten Gespräche eine
direktere Phase von größerer Reichweite anschließen wird. Das bleibt aber abzuwarten.
Die Fronten sind sehr stark verhärtet.“ Die Hoffnung auf den Umbruch bleibe
aber trotz aller Schwierigkeiten bestehen, so Pizzaballa: „Wir müssen einfach
das Beste hoffen, auf allen Ebenen auf einen Wandel hinarbeiten. Als Christen müssen
wir dafür auch beten. Und Andere davon überzeugen, dass es so nicht weitergehen kann,
dass wir nicht resignieren dürfen. Wir befinden uns auf dem Land der Propheten. Schon
deshalb sind wir dazu aufgerufen, auch das zu sehen, was noch nicht da ist. Und dann
sind wir als Kirche ja auch eine internationale Gemeinschaft. Und wir brauchen die
Anteilnahme der internationalen Kräfte an unserer Situation vor Ort.“ Deshalb
wünscht sich der Kustos des Heiligen Landes auch mehr Aufmerksamkeit durch die internationale
Presse:
„Denn die Medien nehmen großen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung.
Frieden wird nicht von zwei Staatsoberhäuptern gemacht, die einen Vertrag unterschreiben:
Der Friede ist vielmehr eine Frage von Mentalität und Denkart. Er ist wie ein Fluss,
der nach und nach alle Gesellschaftsbereiche durchströmen muss. Deshalb kommt den
Medien eine äußerst große Verantwortung zu. Leider folgen sie jedoch oft einer eigenen
Logik und sind mehr an Sensationen als an der Friedensstiftung interessiert.“ (rv
17.05.2010 vp)