Iran gibt offenbar
nach im Atomstreit: In Teheran unterzeichneten seine Unterhändler jetzt ein Kompromisspapier
der Internationalen Atombehörde. Damit erklärt sich das Land bereit, schwach angereichertes
Uran im Ausland zu tauschen. Vermittelt hat den Deal u.a. der scheidende Präsident
von Brasilien, Inacio Lula da Silva: Er erreichte – zusammen mit dem türkischen Präsidenten
Recep Tayyip Erdogan – nach 18 Stunden Verhandlungen das „Ja“ des iranischen Regimes.
Aber zu lauter Jubel wäre verführt, sagt Stephane Montclerc. Er ist Brasilien-Experte
an der renommierten Pariser Sorbonne-Universität und gibt zu bedenken: „Lulas
Reise darf man auch aus dem Blickwinkel lesen, dass Brasilien selbst Interesse daran
hat, sich Atomwaffen zuzulegen. Das ist zwar nicht streng geheim, aber wird im Moment
noch nicht so richtig von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Als Brasilien in den sechziger
und siebziger Jahren eine Militärdiktatur war, hat es heimlich Schritte zur atomaren
Bewaffnung unternommen, auch wenn es dabei nicht sehr weit kam. Heute verfügt Brasilien
über die Technologie für die Bombe und könnte Uran zu militärischen Zwecken anreichern
– es muss nur noch die Weltöffentlichkeit auf seine Seite bringen. Und der erste Schritt
dazu ist, dass auch anderen Ländern erlaubt wird, Uran anzureichern, dem Iran zum
Beispiel. Offiziell zu zivilen Zwecken, aber das muss man nicht glauben...“
Lula
signalisiere jetzt allen Schwellenländern, die Interesse an Atomwaffen hätten, untergründig
Folgendes:
„Seht her – ich rede mit dem Iran. Denkt später daran und erlaubt
auch Brasilien, sich Atomwaffen zuzulegen!“
Erst kürzlich hatte sich Papst
Benedikt XVI. öffentlich hinter alle Initiativen für atomwaffenfreie Zonen gestellt
– und hinter das Bemühen um eine von Atomwaffen völlig gesäuberte Welt. Zum ersten
Mal seit Jahren ist nämlich wieder Bewegung in die Debatte um nukleare Abrüstung gekommen:
USA und Russland haben ein neues Start-Abkommen unterzeichnet, und Anfang Mai gab
es an der UNO Abrüstungsgespräche.
„Das Problem ist vor allem, eine Mentalitätsveränderung
zu bewirken“, sagt der Vatikanvertreter bei der UNO, Erzbischof Celestino Migliore.
„Viele glauben heute noch, dass Atomwaffen als Verteidigungswaffe eingesetzt werden
können.“Vor allem die großen, anerkannten Atommächte müssten jetzt vorangehen
bei der Abrüstung, glaubt der Vatikanmann:
„Damit schaffen sie auch eine
moralische Basis, auf der sie Gespräche mit anderen Staaten führen können, die jetzt
auch noch Atomwaffen einführen möchten. Man kann nicht einfach Sanktionen verhängen,
ohne selber etwas für die Abschaffung dieser Waffe zu tun. Da fehlt sonst jegliche
Glaubwürdigkeit.“ (rv 17.05.2010 sk)