Auf den Spuren von Mutter Teresa – Freiwilliger Hospizdienst in Kalkutta
Die Nase mal über
den Tellerrand hinaus strecken – für Stefan Ludovici hat sein Studienabschluss die
ideale Möglichkeit dazu geboten. Nach dem Theoretisieren im Theologiestudium hat ihn
der Tatendrang gepackt und – für drei Monate nach Kalkutta verschlagen. In die Dritte
Welt habe er eigentlich schon immer gewollt:
„Ich habe mich schon immer
gefragt, ob Mission, die Arbeit in der Dritten Welt, etwas für mich wäre. Und jetzt
habe ich mir gesagt: Nun mach ich das! Jetzt gehe ich für drei Monate in die Dritte
Welt, nach Kalkutta, nach Indien und schaue, ob ich das schaffen kann. Und so habe
ich mich dazu durchgerungen. Erstmalig bin ich mit Mutter Teresa im Priesterseminar
so richtig in Kontakt gekommen. Dort haben wir das neue Buch, das zu ihr erschienen
ist, „Komm, sei mein Licht“ gelesen. Das hat mich sehr interessiert, so dass ich mehr
über sie gelesen und auch mal im Internet gesurft habe. Auf diese Weise bin ich dann
auf die Möglichkeit, ein Volontariat in Kalkutta zu machen, gestoßen. So hat sich
das gefügt: Dass ich in die Dritte Welt gehen wollte und dass Mutter Teresa mich interessiert
hat. Und so habe ich mich aufgemacht nach Kalkutta.“
Und
da wurde der gebürtige Fuldaer gleich zu Beginn mit großer Gastfreundschaft empfangen…
„Also
wenn man allein nach dem Weg zu einer Einrichtung von Mutter Teresa fragt, und sagt,
man ist ein Volontär, dann bekommt man ganz freundlich geholfen und den Weg gezeigt.
Mutter Teresa und die Schwestern stehen – zumindest in Kalkutta – bei den Indern sehr
hoch im Kurs.“
Am 26. August wir der 100. Geburtstag Mutter Teresas gefeiert.
Stefan Ludovici hat sich eine Tätigkeit auf den unmittelbaren Spuren der Friedensnobelpreisträgerin
ausgesucht.
„Prem Dan ist eine Einrichtung… Man kann es nicht so genau qualifizieren.
Es ist ein Hospiz und ein Krankenhaus, aber auch ein Haus, in dem geistig Behinderte
Menschen leben. Die erste Woche habe ich Kleider gewaschen und Leute rasiert. In der
zweiten Woche habe ich dann in den Sanitätsdienst gewechselt. Nun wechsle ich Verbände
und reinige Wunden – das ist meine Arbeit, die ich halbtags mache.“
Seinen
ganz gewöhnlichen Tagesablauf beschreibt der Theologieabsolvent so:
„Um
fünf Uhr morgens stehe ich auf und laufe zum Mutterhaus, wo wir Volontäre um sechs
Uhr Messe mit den Schwestern feiern. Um Sieben gibt es dann ein kleines gemeinsames
Frühstück. Um viertel vor Acht in etwa gehen die Volontäre dann in den verschiedenen
Einrichtungen bis viertel nach zwölf an die Arbeit. Und dann besteht für denjenigen,
der bei 38 Grad noch Kraft besitzt, die Möglichkeit, auch am Nachmittag noch einmal
Dienst zu tun und mitzuhelfen von drei bis fünf Uhr.“
Und wenn man mal
fix und fertig ist, dann trägt einen die Gemeinschaft, erklärt der Volontär:
„Es
hat mich sehr beeindruckt, dass Volontäre nicht nur Jugendliche sind, sondern eine
ganz gemixte Gruppe zusammen kommt. Von etwa zwanzig ab bis hoch in die siebzig haben
wir hier alles! Im Schnitt sind wohl immer so 30 Volontäre da. Es ist eine ganz internationale
Gemeinschaft. Im März waren vor allem Volontäre aus dem asiatischen Raum, wo wohl
Ferien waren, stark vertreten. Es kommen aber auch viele junge Menschen aus England
oder den USA. Die meisten haben die Schule oder das Studium gerade beendet und reisen
durch Indien. Sie bleiben ganz unterschiedlich lange; von wenigen einzelnen Tagen
bis hin zu einem halben Jahr.“
Die zwei Monate, die
Stefan Ludovici schon in Kalkutta verbracht hat, hätten ihn bereits nachhaltig geprägt:
„Hier
prasseln so viele Eindrücke auf mich ein, dass ich denke, erst in Deutschland werde
ich das so richtig verarbeiten können. Das sind vor allem Erfahrungen im zwischenmenschlichen
Bereich. Besonders beeindruckend ist es, wie die Inder hier mit Ausländern umgehen,
aber auch untereinander. Mit welcher Freundlichkeit und Offenheit man Ausländern begegnet!
Man wird auf der Straße gegrüßt, man lacht Ausländer an. Am Anfang war mir unklar,
was das genau für ein Lachen ist: Lachen die jetzt mit mir oder über mich? Aber es
ist ein ganz positives, offenes freundliches Lachen. Und das ist sehr beeindruckend,
weil das in Europa, wie ich finde, nicht gegeben ist.“
Dieser grundsätzlich
positive Erfahrungswert hilft auch, die eine oder andere Herausforderung im Alltag
gut zu überstehen…
„Mein Hotelzimmer in Kalkutta kostet mich pro Nacht 100
Rupien, das ist etwa 1 Euro 70, und ist sehr klein. Es beschränkt sich auf das Bett
und vier Wände und einen Ventilator an der Decke. Ein eigenes Bad habe ich nicht.
Dusche und Toilette muss ich mir mit den anderen Gästen am Flur teilen. Wenn man sehr
penibel ist, sollte man nicht in solche Hotels gehen, sondern in Hotels europäischen
Standards, wo man aber auch europäische Preise bezahlt. Abgesehen davon, dass es sehr
klein sind, sind überall Spinnweben, Eidechsen huschen als illegale Mitbewohner durchs
Zimmer und hin und wieder auch mal eine Kakerlake. Wer da sehr empfindlich ist, der
sollte in ein besseres Hotel, wo man dann aber auch mehr bezahlt.“
Das
Miteinander der Religionen, dass er Tag für Tag im Hospiz erlebt, beschreibt der Volontär
so:
„In Kalkutta – wohl, weil es eine Großstadt ist – ist es ein sehr friedliches
Miteinander: Man akzeptiert sich und man lebt miteinander. Das ist eine sehr schöne
Erfahrung, die ich in Kalkutta machen durfte, weil dort alle willkommen sind: Hindus,
Christen, Moslems… Alle werden dort aufgenommen! Wer arm ist, wer hilfsbedürftig ist,
der darf dort hinkommen und dem wird geholfen.“
Doch
auch kritische Zwischentöne bleiben zu Indien als Land der krassen Gegensätze nicht
aus:
„Wenn man sieht, dass es in Indien viele reiche Menschen gibt, gerade
auch viele Millionäre, und dann wieder in Kalkutta die große Armut sieht und weiß,
dass Inder helfen könnten, aber es nicht tun, dann ist das schon bedenklich! Aber
es gibt natürlich auch viele Inder, die helfen. Aber natürlich ist das Kastensystem
abgeschafft, und dennoch noch im Denken vieler Menschen drinnen. Ich habe diese Erfahrung
in Hyderabad gemacht, wo ich einen befreundeten Priester besucht habe, der mir gesagt
hat, dass dort die Christen teilweise gemieden werden, weil sie sich mit den ärmeren
Menschen abgeben, ihnen helfen. Und damit werden Christen in dieser Gegend zu Außenseitern.“
Seine
Motivation schmälert das allerdings keineswegs. Auf gar keinen Fall, das steht für
Stefan Ludovici fest, wollte er auf seine Erfahrungen in Kalkutta verzichten:
„Ich
würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen einmal aufrafften und in die Dritte Welt
gingen. Häufig wurde mir gesagt: Was du machst, ist ja ganz gut, aber es wäre doch
viel besser, die 600 Euro, die ich für den Flug bezahlt habe, einfach nach Indien
zu schicken, damit könnte man doch viel mehr machen. Mir ist aber bewusst geworden,
dass das Geld gar nicht die zentrale Rolle spielt. Man darf nicht vergessen, dass
man, wenn man nach Indien geht, zwar ganz viel gibt, aber dass eigentlich noch mehr
von den Menschen zurückkommt! Die Menschen, mit denen man arbeitet, wo man denkt,
man gibt den Menschen eigentlich immer nur, sind diejenigen, die einen im Denken,
das man mitbringt, verändert. Und das ist eine so gute Erfahrung, dass ich mir wünschen
würde, dass mehr Jugendliche diese Erfahrung machen würden.“