2010-05-06 15:12:01

Auf den Spuren von Mutter Teresa – Freiwilliger Hospizdienst in Kalkutta


RealAudioMP3 Die Nase mal über den Tellerrand hinaus strecken – für Stefan Ludovici hat sein Studienabschluss die ideale Möglichkeit dazu geboten. Nach dem Theoretisieren im Theologiestudium hat ihn der Tatendrang gepackt und – für drei Monate nach Kalkutta verschlagen. In die Dritte Welt habe er eigentlich schon immer gewollt:

„Ich habe mich schon immer gefragt, ob Mission, die Arbeit in der Dritten Welt, etwas für mich wäre. Und jetzt habe ich mir gesagt: Nun mach ich das! Jetzt gehe ich für drei Monate in die Dritte Welt, nach Kalkutta, nach Indien und schaue, ob ich das schaffen kann. Und so habe ich mich dazu durchgerungen. Erstmalig bin ich mit Mutter Teresa im Priesterseminar so richtig in Kontakt gekommen. Dort haben wir das neue Buch, das zu ihr erschienen ist, „Komm, sei mein Licht“ gelesen. Das hat mich sehr interessiert, so dass ich mehr über sie gelesen und auch mal im Internet gesurft habe. Auf diese Weise bin ich dann auf die Möglichkeit, ein Volontariat in Kalkutta zu machen, gestoßen. So hat sich das gefügt: Dass ich in die Dritte Welt gehen wollte und dass Mutter Teresa mich interessiert hat. Und so habe ich mich aufgemacht nach Kalkutta.“

 
Und da wurde der gebürtige Fuldaer gleich zu Beginn mit großer Gastfreundschaft empfangen…

„Also wenn man allein nach dem Weg zu einer Einrichtung von Mutter Teresa fragt, und sagt, man ist ein Volontär, dann bekommt man ganz freundlich geholfen und den Weg gezeigt. Mutter Teresa und die Schwestern stehen – zumindest in Kalkutta – bei den Indern sehr hoch im Kurs.“

Am 26. August wir der 100. Geburtstag Mutter Teresas gefeiert. Stefan Ludovici hat sich eine Tätigkeit auf den unmittelbaren Spuren der Friedensnobelpreisträgerin ausgesucht.

„Prem Dan ist eine Einrichtung… Man kann es nicht so genau qualifizieren. Es ist ein Hospiz und ein Krankenhaus, aber auch ein Haus, in dem geistig Behinderte Menschen leben. Die erste Woche habe ich Kleider gewaschen und Leute rasiert. In der zweiten Woche habe ich dann in den Sanitätsdienst gewechselt. Nun wechsle ich Verbände und reinige Wunden – das ist meine Arbeit, die ich halbtags mache.“

Seinen ganz gewöhnlichen Tagesablauf beschreibt der Theologieabsolvent so:

„Um fünf Uhr morgens stehe ich auf und laufe zum Mutterhaus, wo wir Volontäre um sechs Uhr Messe mit den Schwestern feiern. Um Sieben gibt es dann ein kleines gemeinsames Frühstück. Um viertel vor Acht in etwa gehen die Volontäre dann in den verschiedenen Einrichtungen bis viertel nach zwölf an die Arbeit. Und dann besteht für denjenigen, der bei 38 Grad noch Kraft besitzt, die Möglichkeit, auch am Nachmittag noch einmal Dienst zu tun und mitzuhelfen von drei bis fünf Uhr.“

Und wenn man mal fix und fertig ist, dann trägt einen die Gemeinschaft, erklärt der Volontär:

„Es hat mich sehr beeindruckt, dass Volontäre nicht nur Jugendliche sind, sondern eine ganz gemixte Gruppe zusammen kommt. Von etwa zwanzig ab bis hoch in die siebzig haben wir hier alles! Im Schnitt sind wohl immer so 30 Volontäre da. Es ist eine ganz internationale Gemeinschaft. Im März waren vor allem Volontäre aus dem asiatischen Raum, wo wohl Ferien waren, stark vertreten. Es kommen aber auch viele junge Menschen aus England oder den USA. Die meisten haben die Schule oder das Studium gerade beendet und reisen durch Indien. Sie bleiben ganz unterschiedlich lange; von wenigen einzelnen Tagen bis hin zu einem halben Jahr.“

 
Die zwei Monate, die Stefan Ludovici schon in Kalkutta verbracht hat, hätten ihn bereits nachhaltig geprägt:

„Hier prasseln so viele Eindrücke auf mich ein, dass ich denke, erst in Deutschland werde ich das so richtig verarbeiten können. Das sind vor allem Erfahrungen im zwischenmenschlichen Bereich. Besonders beeindruckend ist es, wie die Inder hier mit Ausländern umgehen, aber auch untereinander. Mit welcher Freundlichkeit und Offenheit man Ausländern begegnet! Man wird auf der Straße gegrüßt, man lacht Ausländer an. Am Anfang war mir unklar, was das genau für ein Lachen ist: Lachen die jetzt mit mir oder über mich? Aber es ist ein ganz positives, offenes freundliches Lachen. Und das ist sehr beeindruckend, weil das in Europa, wie ich finde, nicht gegeben ist.“

Dieser grundsätzlich positive Erfahrungswert hilft auch, die eine oder andere Herausforderung im Alltag gut zu überstehen…

„Mein Hotelzimmer in Kalkutta kostet mich pro Nacht 100 Rupien, das ist etwa 1 Euro 70, und ist sehr klein. Es beschränkt sich auf das Bett und vier Wände und einen Ventilator an der Decke. Ein eigenes Bad habe ich nicht. Dusche und Toilette muss ich mir mit den anderen Gästen am Flur teilen. Wenn man sehr penibel ist, sollte man nicht in solche Hotels gehen, sondern in Hotels europäischen Standards, wo man aber auch europäische Preise bezahlt. Abgesehen davon, dass es sehr klein sind, sind überall Spinnweben, Eidechsen huschen als illegale Mitbewohner durchs Zimmer und hin und wieder auch mal eine Kakerlake. Wer da sehr empfindlich ist, der sollte in ein besseres Hotel, wo man dann aber auch mehr bezahlt.“

 
Das Miteinander der Religionen, dass er Tag für Tag im Hospiz erlebt, beschreibt der Volontär so:

„In Kalkutta – wohl, weil es eine Großstadt ist – ist es ein sehr friedliches Miteinander: Man akzeptiert sich und man lebt miteinander. Das ist eine sehr schöne Erfahrung, die ich in Kalkutta machen durfte, weil dort alle willkommen sind: Hindus, Christen, Moslems… Alle werden dort aufgenommen! Wer arm ist, wer hilfsbedürftig ist, der darf dort hinkommen und dem wird geholfen.“

 
Doch auch kritische Zwischentöne bleiben zu Indien als Land der krassen Gegensätze nicht aus:

„Wenn man sieht, dass es in Indien viele reiche Menschen gibt, gerade auch viele Millionäre, und dann wieder in Kalkutta die große Armut sieht und weiß, dass Inder helfen könnten, aber es nicht tun, dann ist das schon bedenklich! Aber es gibt natürlich auch viele Inder, die helfen. Aber natürlich ist das Kastensystem abgeschafft, und dennoch noch im Denken vieler Menschen drinnen. Ich habe diese Erfahrung in Hyderabad gemacht, wo ich einen befreundeten Priester besucht habe, der mir gesagt hat, dass dort die Christen teilweise gemieden werden, weil sie sich mit den ärmeren Menschen abgeben, ihnen helfen. Und damit werden Christen in dieser Gegend zu Außenseitern.“

Seine Motivation schmälert das allerdings keineswegs. Auf gar keinen Fall, das steht für Stefan Ludovici fest, wollte er auf seine Erfahrungen in Kalkutta verzichten:

„Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen einmal aufrafften und in die Dritte Welt gingen. Häufig wurde mir gesagt: Was du machst, ist ja ganz gut, aber es wäre doch viel besser, die 600 Euro, die ich für den Flug bezahlt habe, einfach nach Indien zu schicken, damit könnte man doch viel mehr machen. Mir ist aber bewusst geworden, dass das Geld gar nicht die zentrale Rolle spielt. Man darf nicht vergessen, dass man, wenn man nach Indien geht, zwar ganz viel gibt, aber dass eigentlich noch mehr von den Menschen zurückkommt! Die Menschen, mit denen man arbeitet, wo man denkt, man gibt den Menschen eigentlich immer nur, sind diejenigen, die einen im Denken, das man mitbringt, verändert. Und das ist eine so gute Erfahrung, dass ich mir wünschen würde, dass mehr Jugendliche diese Erfahrung machen würden.“

 
(rv 06.05.2010 vp)








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