Österreich:„Ein runder Tisch ist nur ein Startschuss“
In Österreich tagte
der runde Tisch zum Thema Missbrauch Mitte April, der Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn
sprach damals von einer ‚Allianz gegen Missbrauch’. Die Vizepräsidentin des Hauptverbandes
der Katholischen Elternverbände Österreichs, Cornelia Frankenstein, zieht aus den
Erfahrungen erste Schlüsse und warnt vor überzogenen Erwartungen an diese Form der
Auseinandersetzung:
„Man muss dabei sofort klarstellen, dass ein runder
Tisch nur ein Startschuss sein kann. Ein runder Tisch hat den großen Vorteil, dass
man hier Experten zusammenrufen kann, die durch ihre tägliche Arbeit mit dem Problem
befasst sind und hier auch sachlich Lösungsvorschläge bringen können.“
Sehr
deutlich sei bei diesem runden Tisch aber auch geworden, dass die Gesellschaft insgesamt
auf wackligem Boden stehe, wenn es um Missbrauch geht. Hier habe die durch die Kirche
begonnene Aufarbeitung einen guten Einfluss auf die Diskussionen gehabt:
„Die
katholische Kirche in Österreich hat hier der Politik die Tür geöffnet, angstfrei
mit der Thematik umzugehen. Ein runder Tisch kann eine Versachlichung der Debatte
leisten, denn das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dem man sich immer stellen
muss. Jeder, der Verantwortung trägt für Schutzbefohlene, muss sich bewußt sein, dass
es eine Gefahr gibt und dass es wichtig ist, damit richtig umzugehen. Und diese Verantwortung
hat auch die Politik.“
Mit Bick auf die Österreichische Geschichte zu den
Missbrauchsfällen, beginnend mit dem Wiener Erzbischof Kardinal Groer vor zehn Jahren,
ordnet Cornelia Frankenstein die Bedeutung eines runden Tisches in der augenblicklichen
Debatte ein:
„Als man aus Deutschland die Welle anrollen sah, dass dieses
Thema jetzt wieder akut wird, war es so dass ich am Anfang nur in sehr angstvolle
Gesichter geschaut habe. Es gab ein großes Gefühl der Ohnmacht, dass das jetzt wieder
losgeht und dass man das eigentlich gar nicht mehr wissen möchte. Es kamen viele Aussagen
von Eltern, dass sie das gar nicht wissen wollen. Es wurde mir direkt gesagt, dass
wenn wir uns mit dem Thema befassen, sie sofort austreten würden aus der Kirche, weil
sie kein Vertrauen mehr haben durch die Vorfälle um die Causa Groer. Denn das wurde
ja damals nicht aufgearbeitet, sondern es wurde eigentlich nur langsam verdrängt,
und das hat eine sehr schwere Wunde erzeugt. Der runde Tisch ist aber nur eine Begleitmaßnahme
zur Aufarbeitung, die wirkliche Aufarbeitung ist das Bewußtsein in der Gesellschaft,
die Entstigmatisierung der Opfer. Das kann ein runder Tisch begleiten, aber er kann
es nicht bewerkstelligen.“