Woche für das Leben: „Menschen mit Behinderung sind nicht behindert, sie werden es!“
„Gesund oder krank
– von Gott geliebt“: Unter diesem Motto steht in den Jahren 2008-2010 die „Woche für
das Leben“. In diesem Jahr findet die ökumenische Initiative bundesweit vom 17. April
bis 24. April statt. Träger sind Deutschen Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen
Kirche in Deutschland. Das Jahresmotto der Woche 2010 lautet: „Gesundheit - höchstes
Gut“ und will den in der Gesellschaft vorherrschenden Gesundheitsbegriff kritisch
hinterfragen. Simone Bell-D`Avis leitet die Arbeitsstelle Pastoral für Menschen mit
Behinderung der Deutschen Bischofskonferenz und erklärt im Gespräch mit Radio Vatikan
das besondere Anliegen der Aktionswoche:
„Die Woche für das Leben hat ja
grundsätzlich den Auftrag, zu sagen, Gebrechlichkeit, Leid, Lebensende, Krankheit
und Tod sind Teile des Lebens, die man nicht verdrängen darft. An dieser Stelle versucht
sie, Aufklärungsarbeit zu leisten. Und der Aspekt der Behinderung ist jetzt insbesondere
mit aufgegriffen worden, um zu sagen, Behinderung ist eine Lebensrealität.“
Oft
würden Menschen mit Behinderung noch als bemitleidenswert wahrgenommen, meint Bell-D`Avis.
Jenseits dieses „Helfermodells“, das vom Defizit des Menschen mit Behinderung ausgehe,
beschreibt die Theologin eine abweichende Sichtweise:
„Ein anderes,
neueres Denkmodell, dass sich aber auch in der deutschen Sozialgesetzgebung mehr und
mehr durchsetzt und auch in der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen
deutlich und greifbar wird, ist ein soziales Modell von Behinderung: Menschen mit
Behinderung sind nicht behindert, sondern sie werden behindert! Dadurch, dass es Barrieren
und Zugangshemmnisse gibt. Dadurch, dass sie ausgeschlossen werden, dass zum Beispiel
eine Arztpraxis nicht darauf eingerichtet ist, dass ein hörgeschädigter Mensch kommt
oder jemand mit einer Körperbehinderung. Trotzdem würde ich sagen, wir leben in einer
Gesellschaft, in der beide Modelle noch in den Köpfen und Herzen der Menschen sind.
Und es muss darum gehen, Barrieren, die bestehen, abzubauen, ohne das Helfen völlig
zu verbannen.“
Dieser Appell richte sich, so Bell-D`Avis, an die Gesamtgesellschaft
- die Kirchen inbegrifffen:
„Wenn eine Kirchenzeitung nur als gedrucktes
Papier erscheint, parallel zu schauen, dass die Homepage, auf der sie erscheint, für
blinde Menschen so konstruiert ist, dass sie mit deren Hilfsmitteln von zu Hause aus
lesbar ist. Das sind so viele Dinge, die die Barrierefreiheit innerhalb und außerhalb
der Kirche betreffen. Da stehen, glaube ich, Kirche und Gesellschaft vor den gleichen
Aufgaben: Mehr und mehr bei allen Vollzügen darauf zu achten, was das für Menschen
mit Behinderung bedeutet und was von Anfang an in der Planung berücksichtigt werden
kann, damit Menschen mit Behinderung Dinge genauso nutzen können, wie Menschen ohne
Behinderung auch.“