Papstkenner: Rückblick auf fünf Jahre „Pontifikat Benedikt" 2
An diesem Montag feiert
die Weltkirche den fünften Jahrestag des Pontifikats von Benedikt XVI. Roman Angulanza,
pensionierter Direktor des katholischen Bildungswerkes in Salzburg, kennt den Papst
über ein halbes Jahrhundert. Er gehört zum Schülerkreis von Joseph Ratzinger, der
die jährlichen Treffen mit seinen früheren Studenten auch als Papst in Castel Gandolfo
weiterführt. Schritte auf dem Weg der Ökumene, wichtige Papstreisen oder Benedikts
Umgang mit heiklen Themen wie Missbrauch und Piusbrüdern – im Interview mit Radio
Vatikan lässt Angulanza fünf bewegte Jahre „Pontifikat Benedikt“ Revue passieren.
Lesen und hören Sie hier den zweiten Teil zum Thema.
Dialog
mit dem Islam „auf hohem Niveau"
So wie Benedikt XVI. bei der
ersten Bischofssynode nach seiner Wahl zum Papst neue Kommunikationsregeln propagierte,
so schlug er auch im interreligiösen Dialog einen neuen Ton an. Im Gedächtnis blieb
vor allem die Regensburger Rede vom 12. September 2006. Diese warf nicht nur in der
muslimischen Gemeinschaft Fragen auf. Benedikts provokantes Zitat zum Verhältnis von
Religion und Gewalt im Islam hat den Dialog mit den Muslimen jedoch gerade erst in
Gang gebracht, so Angulanza.
„Es haben sich ja unmittelbar nach der Rede
138 hochrangige Vertreter des Islams gemeldet. Sie haben einen sehr respektvollen
Brief an den Papst gerichtet. Damit hat dann ein fruchtbarer Dialog begonnen. Ein
Jahr später waren diese hochrangigen Gelehrten dann bei uns im Schülerkreis und führten
einen sehr höflichen Dialog ohne Feindseligkeiten mit ihm. Da wurden vor allem die
Gemeinsamkeiten der beiden Religionen herausgearbeitet. Daraufhin ist es zur Gründung
eines katholisch-muslimischen Forums gekommen und das hat wiederum bewirkt, dass in
einzelnen muslimischen Staaten dann auch erlaubt worden ist, Kirchen zu bauen.“
An
das Verbindende der beiden Religionen erinnerte der Papst auch im Rahmen seiner Heilig-Land-Reise
im Mai 2009. In einer Ansprache vor Moslems und Diplomaten im jordanischen Amman warnte
er vor Religionsmissbrauch und rief zum Schutz religiöser Minderheiten auf. Dabei
wählte Benedikt XVI. einen respektvollen Ton, knüpfte selbst an jenen Dialog an, der
seit der Regensburger Rede begonnen hatte. Das habe wohl auch mit Benedikts guter
Kenntnis des Islams zu tun. Angulanza:
„Beim ersten Treffen im Schülerkreis,
nachdem er Papst geworden war, hatten wir das Thema Islam. Das haben wir breit abgehandelt,
mit hervorragenden Fachleuten zum Thema. Dort hat sich gezeigt, dass er selbst sehr
viel weiß und sehr gut Bescheid weiß. Es hat ja auch die türkischen Medien sehr beeindruckt,
als er in der Blauen Moschee still gebetet hat, das war sehr eindrucksvoll. Gerade
die muslimischen Intellektuellen sehen, dass der Papst dem Islam mit großer
Hochachtung begegnet.“
Das Aufheben der Exkommunikation
von vier traditionalistischen Piusbischöfen im Januar 2009, darunter auch die des
Holocaust-Leugners Richard Williamson, sorgte vor allem in Deutschland für Unmut.
Diese Geste setzte – wie auch das Vorantreiben der Seligsprechung von Papst Pius XII.
– den Beziehungen zum Judentum einen Stich. Auch deshalb wurde Benedikts Heilig-Land-Reise
im Mai 2009 von der jüdischen Weltgemeinschaft mit Argusaugen beobachtet: Was würde
er zum Holocaust sagen?
„Er hat deutlich unterschieden:
Am Flughafen hat er erst einmal ganz deutlich die Fakten benannt. Er hat das in aller
Schärfe getan und das Verbrechen angeprangert, das Ausmaß, dass es sich nie mehr wiederholen
darf, dass die hässliche Fratze des Antisemitismus – immer noch existierend in der
Welt – weiterhin bekämpft werden muss. Das hat er sehr deutlich gesagt. Aber dann
hat man auf Schritt und Tritt immer nur beobachtet: Sagt er noch etwas, sagt er noch
etwas? In Yad Vashem war es für ihn eine Stunde der Besinnung, da ging es um andere
Dinge, als immer dasselbe zu wiederholen. Ich glaube, man nimmt einfach nicht ernst,
was er gesagt hat und erwartet sich immer Wiederholungen.“
Es
war keine „volle Rehabilitierung“
Mit seinem Besuch in der römischen
Synagoge im Januar 2010 konsolidierte der Papst die katholisch-jüdischen Beziehungen,
dennoch war bei der Visite das Unbehagen über die geplante Seligsprechung von Pius
XII. und die ausgestreckte Papsthand zu den Piusbrüdern spürbar. In der Debatte um
die Traditionalisten habe der Vatikan Kommunikationsfehler begangen, räumt Papstkenner
Angulanza ein. So sei die Rücknahme der Exkommunikation in der Öffentlichkeit als
„volle Rehabilitierung“ verstanden worden.
„Das ist ja
überall falsch interpretiert worden: Rücknahme der Exkommunikation heißt ja, dass
sie beichten gehen können und die Krankenölungen empfangen und solche Dinge. Das hat
man so interpretiert, dass es eine volle Rehabilitation o.ä. sei. Es ist also ganz
falsch vermittelt worden, Kommunikationskanäle sind nicht genutzt worden, man hätte
zum Beispiel eine Pressekonferenz machen müssen und dann als Journalist die Frage
stellen können: Was bedeutet das überhaupt?“
Das Bemühen
um Einheit mit dem „rechten Rand“ der Kirche habe sich nicht erst bei Benedikt gezeigt,
stellt Papstkenner Angulanza weiter fest. Die Aufhebung der Exkommunikation der vier
Lefebvre-Bischöfe sei schon lange geplant gewesen.
„Es
gab ja schon einen einstimmigen Beschluss unter Johannes Paul II., dass die Exkommunikation
auf Bitten der Pius-Brüder aufgehoben wird. Dieser Beschluss bestand bereits, nur
ist es aufgrund der Krankheit von Johannes Paul II. nicht mehr dazu gekommen. In jüngerer
Zeit haben dann wieder zwei Gremien einen Beschluss gefasst und sind an Papst Benedikt
selbst herangetreten.“