Der Vatikan erwägt eine Aufhebung der zehnjährigen Verjährungsfrist für Missbrauchsdelikte.
Die Praxis zeige, dass „eine Zehn-Jahres-Frist dieser Typologie von Fällen nicht angemessen“
sei, erklärte Charles J. Scicluna, Strafverfolger der Glaubenskongregation für schwere
kirchenrechtliche Vergehen. „Es wäre wünschenswert, zum früheren System zurückzukehren,
nach dem es für schwerwiegende Vergehen keine Verjährung gibt“, sagte er der italienischen
Tageszeitung „Avvenire“ am Wochenende. Scicluna bezog sich dabei auf das katholische
Kirchenrecht vor 1898, das bis dahin keine zeitliche Begrenzung für eine kirchliche
Strafverfolgung kannte. 2001 legte der Papsterlass „De delictis gravioribus“ (Über
schwerwiegende Vergehen) für die kirchendisziplinarische Ahndung von Verstößen gegen
das klerikale Keuschheitsgebot eine Verjährung von zehn Jahren fest, bei Missbrauch
von Minderjährigen beginnen die zehn Jahre mit dem Erreichen des 18. Lebensjahrs.
Der Kirchenjurist verwies darauf, dass Papst Johannes Paul II. bereits 2002 die Vollmacht
erteilt habe, in begründeten Einzelfällen von der Verjährung abzusehen. Diese Ausnahme
werde „normalerweise auch gewährt“, so Scicluna. Zu den „schwerwiegenden Vergehen“
zählen nach dem Kirchenrecht etwa auch Verstöße gegen das Beichtgeheimnis und gegen
die Eucharistie.