Bei Fällen von sexuellen
Übergriffen auf Kindern und Jugendlichen durch Kleriker sollen „immer“ die Behörden
eingeschaltet werden. Das steht in Vatikan-Richtlinien, die an diesem Montag auf der
Homepage des Heiligen Stuhls veröffentlicht worden sind. In den schwersten Fällen
kann der Papst einen Täter-Priester gleich laisieren, auch wenn noch kein kanonisches
Urteil vorliegt, so die Richtlinien. Vatikansprecher Pater Ciro Benedettini präzisierte,
das jetzt veröffentlichte Regelwerk sei nicht neu, sondern stamme von 2003. Es werde
jetzt veröffentlicht, um „die vom Papst gewünschte absolute Transparenz“ deutlich
zu machen. Bei Übergriffen auf Erwachsene gelten andere Normen.
Vieles ist
eigentlich schon bekannt von dem, was in den jetzt veröffentlichten Richtlinien steht.
Immerhin findet sich dort aber ganz klar der – an den verantwortlichen Ortsbischof
gerichtete – Satz: „Das bürgerliche Gesetz, das die Anzeige von Verbrechen bei den
Behörden betrifft, soll immer befolgt werden.“
Die Glaubenskongregation hat
– so wird in den Richtlinien deutlich – mehrere Optionen, wenn ihr ein Missbrauchsfall
zur Kenntnis gelangt. Je nach der Schwere der Vorwürfe kann sie entweder den Ortsbischof
ermächtigen, selbst vor einem lokalen Kirchengericht einen Strafprozess durchzuführen;
in diesem Fall kann der Beschuldigte gegen sein Urteil Revision bei der Glaubenskongregation
einlegen. Oder die Kongregation kann im entsprechenden Bistum einen Verwaltungsprozess
anstoßen: Werden dabei kanonische Strafen verhängt, darf der Beschuldigte ebenfalls
bei der Kongregation dagegen Berufung einlegen. „Die Entscheidung, die die Kardinalsmitglieder
der Glaubenskongregation dazu fällen, ist endgültig“, so die Richtlinien.
Und
dann eine interessante weitere Regelung: „In wirklich schwerwiegenden Fällen, also
wenn ein ziviles Gericht einen Priester wegen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen
verurteilt hat oder wenn es evidente Beweise gibt, kann die Glaubenskongregation den
Fall direkt dem Heiligen Vater unterbreiten – mit der Bitte, dass der Papst ein „ex-ufficio“-Dekret
für die Zurückstufung in den Laienstand erlässt. Gegen ein solches päpstliches Dekret
ist keine kanonische Berufung möglich.“ Wenn beschuldigte Priester selbst um Dispens
vom Priesteramt bäten, dann „genehmigt der Heilige Vater das um des Wohles der Kirche
willen“, so der Text wörtlich. Von „Vertuschung“ oder von „Geschwätz“ ist in dem Regelwerk
keine Rede.