2010-04-12 13:12:29

Italien: Grabtuch als Glaubenshilfe


RealAudioMP3 Auf das vergangene Wochenende haben nicht nur die Turiner schon lange gewartet: Nach ganzen zehn Jahren ist das berühmte Grabtuch endlich wieder einmal zu sehen. Bis zum 23. Mai wird es im Dom der oberitalienischen Industriestadt ausgestellt. Veronica Pohl hat die Eröffnungsmesse für Radio Vatikan besucht:

Eine Schönheit ist der karge Domplatz von Turin nicht. Seinen Schatz trägt die Kathedrale im Verborgenen – gewöhnlichen Falls wenigstens: Hinter dem Presbyterium wird seit 1578 jenes Tuch aufbewahrt, das zahllose Gläubige als das Grabtuch Jesu verehren. Einige Tausend Pilger sind an diesem Samstag nach Turin gereist, um dabei zu sein, wenn die Santa Sindone nach zehn Jahren in Dunkelheit erstmals wieder zur Verehrung bereitgestellt wird. Der Dom, bislang waren nur die vierzehn barocken Seitenaltäre erleuchtet, erstrahlt plötzlich in hellem Licht – und im Zentrum des Altarraums hängt längs das Grabtuch, lichtdurchflutet. „Das Grabtuch ist kein Gottesbeweis, kein Beweis für die Auferstehung Jesu Christi, und hat uns doch so viel zu sagen“, betont der Erzbischof von Turin, Kardinal Severino Poletto, in seiner Predigt in dem überfüllten Gotteshaus:

„Dabei stellt das Grabtuch keine Notwendigkeit für den Glauben an Christus dar. Von Christus zeugt schon das Evangelium. Aber sein geheimnisvolles Antlitz kann dem Glauben und dem Gebet der Gläubigen eine Hilfestellung geben. Denn es lädt uns ein, über die Passion Christi nachzusinnen, die uns in den Wundmalen sichtbar vor Augen tritt. Daran ist seine Liebe zu uns Menschen ablesbar – aus dieser Liebe heraus hat er für uns gelitten und einen so hohen Preis gezahlt bis hin zu seinem Tod am Kreuz.“

Dabei fordere das Grabtuch seinen Betrachter zu uneingeschränkter Humanität, zu Mitleid und Mitmenschlichkeit heraus, unterstreicht Kardinal Poletto weiter. Immer wieder deutet der Turiner Erzbischof während seiner Predigt auf das Grabtuch hinter ihm. Und so ist es ganz wörtlich zu verstehen, wenn er erklärt:

„Wir können nicht vor dieser Reliquie stehen und unberührt bleiben von den Millionen Menschen, die hungern, von den Kriegen dieser Welt, die so viel Blut fordern, oder von den zahllosen Kindern und Frauen, die unter Brutalität und Gewalt leiden. Genauso sind wir einfach gezwungen, vor diesem Abbild der Hingabe Christi an uns an all jene Menschen denken, die vor allem in den Metropolen der Entwicklungsländer unter unmenschlichen Bedingungen leben. Wir sind dazu aufgefordert, im Angesicht von Krieg, Folter, Terrorismus und Kriminalität aus Nächstenliebe heraus entschieden für die Menschenrechte einzutreten.“

 
Mit bis zu 2 Millionen Besuchern rechnet Turin in den kommenden sechs Wochen. Über 90 Prozent der erwarteten Grabtuchpilger sind Italiener. Doch inzwischen sind auch Pilgergruppen aus dem deutschsprachigen Raum eingetroffen. Am späten Sonntagabend hat Kardinal Christoph Schönborn eine erste Messe vor dem Grabtuch gefeiert. Die Reliquie lade den Betrachter ein, wie Thomas auf die Wundmale Jesu zu blicken, so der Wiener Erzbischof:

„Heute sind wir alle mit diesem Apostel Thomas vor der Sindone, vor dem Grabtuch. Und auch, wenn wir es nicht mit den Händen berühren können, können wir es mit unseren Blicken berühren. Ja, es stimmt schon: „Selig, die nicht sehen, und doch glauben!“ Aber was für ein wunderbares Geschenk hat uns der Herr gemacht, dass wir in unserem Glauben unterstützt sind, durch das, was wir hier sehen können.“

(rv 12.04.2010 vp)







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