2010-04-06 13:32:07

Bologna-Prozess: „Bedachtes Hineinwachsen statt ad hoc-Bürokratie“


RealAudioMP3 Der viel diskutierte Bologna-Prozess will eine bessere Vergleichbarkeit unter europäischen Studierenden und annähernd gleiche Studienanforderungen erreichen – und hat inzwischen auch die theologischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum erreicht. Martin Jäggle ist Professor für Religionspädagogik und Katechetik an der Fakultät für Theologie in Wien und als deren Dekan bestens mit der Umsetzung von Bologna vertraut. Seine Fakultät habe einen ersten Schritt vom bisherigen System in Richtung Bologna gemacht, ohne die Ideen schon vollkommen umzusetzen, erklärt er im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Bestmöglich heißt immer: Den nächstmöglichen Schritt, der lebbar ist und einen nahen Weg eröffnet. Das bedeutet: Bologna stärkt die Zusammenarbeit der Lehrenden. Statt einer Addition von Lehrveranstaltungen, für die immer eine Lehrperson verantwortlich ist, ist ja die Idee von Bologna, dass es eine Verantwortungsgemeinschaft der Lehrenden gibt. Und das haben wir an bestimmten Stellen des Studienplans realisiert. Wir haben in diesem Sinne auch die Einheit der Theologie gestärkt durch den Studienplan nach Bologna.“

Und trotz dieser Annährung an Bologna, die beispielsweise verstärkt auf interdisziplinäre Veranstaltungen setzt, hat an den theologischen Fakultäten auch der klassische Diplomstudiengang Bestand. Das erklärt Professor Jäggle so:

„Der Beschluss war eine Vorgabe Roms, dass es in der Fachtheologie beim Diplomstudiengang bleibt und kein Bachelor- und Mastersystem gibt. Aber wir haben in Absprache mit Rom innerhalb des Diplomstudiums eine Bologna gemäße Form gefunden: Indem wir sechs Semester für den ersten Abschnitt haben und sechs Semester für den zweiten, die Grundlagen der Theologie im ersten Studienabschnitt und die Vertiefung im zweiten. Und wir haben die Grundidee von Bologna in den Vordergrund gerückt, nämlich die Frage nach fachlichen und metafachlichen Kompetenzen. Also die Frage danach, was quer durch die Lehrveranstaltungen hindurch gelernt wird.“

So seien etwa einzelne Studienmodule von vorn herein auf Kooperation ausgelegt:

„Wir haben zum Beispiel ein Modul „Praktische Ekklesiologie“, wo Kirchenrecht, Pastoraltheologie und Katechetik kooperieren. Oder wir haben thematische Module, die auch die Möglichkeit bieten, aktuelle Fragestellungen interdisziplinär im Studium zu behandeln.“

Zu den Themen mit Gegenwartsbezug zählten etwa Migration oder Sexualität und Gewalt. In Deutschland habe die Umsetzung des Bologna-Prozesses hingegen wesentlich bürokratischer stattgefunden, bemängelt der Dekan der Wiener Fakultät:

„Wenn Studierende von Deutschland zu uns nach Österreich kommen, dann stehen sie vor dem Problem, dass sie für bloße Anwesenheit noch keine Studienleistungsanerkennung bekommen. Die Idee, dass schon das einfache Sitzen in einer Lehrveranstaltung eine Studienleistung ist, ist uns total fremd. Das Zweite ist, dass die Umsetzung in den einzelnen Bundesländern in Deutschland verschieden ist, und dass sich die Normierung ins Detail verliert. Wir in Österreich wollten Bologna nicht Perfektionieren, sondern bestmöglich umsetzen. Ich glaube, das ist der markante Unterschied zu Deutschland. Bologna ist ein Langzeitprojekt und eine Kultur, in die wir hineinwachsen.“

(rv 06.04.2010 vp)








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