Der Präfekt der Glaubenskongregation weist Vorwürfe der „New York Times“ gegen den
Papst zurück. In einem ausführlichen Statement „zieht“ – wie die Nachrichtenagentur
Reuters formuliert – der US-Kardinal William Levada „die Samthandschuhe aus“ und geht
im Detail auf den Fall des pädophilen Priesters Lawrence Murphy ein. Die „New York
Times“ hatte den Umgang des heutigen Papstes, damals Kardinal Joseph Ratzinger, mit
diesem Fall aus den fünfziger und sechziger Jahren scharf kritisiert. Levada, der
bis 2005 Erzbischof von San Francisco war, urteilt, der Artikel und ein Kommentar
des Blattes „lassen jedwede Fairness vermissen“; keiner habe so viel wie der heutige
Papst gegen eine Vertuschung und Verschleppung von kirchlichen Missbrauchsfällen getan.
Vom Fall Murphy sei der Vatikan erst in den neunziger Jahren informiert worden – lange,
nachdem auch polizeiliche Ermittlungen gegen den Priester eingestellt worden seien.
„Der Kernfehler des Artikels besteht darin, dem heutigen Papst und nicht den Entscheidungsträgern
im Erzbistum Milwaukee vorzuwerfen, dass der Priester nicht suspendiert wurde.“ Gleichzeitig
erwähne der Artikel der „New York Times“ nicht, dass der heutige Papst sich vehement
für das Erstellen von Richtlinien für den Umgang mit Missbrauchsfällen eingesetzt
habe.
Die Glaubenskongregation unter Kardinal Ratzinger habe sich gleich,
als sie Mitte der Neunziger vom Fall Murphy informiert wurde, für einen kanonischen
Prozess gegen den Priester ausgesprochen. Erst als sie erfuhr, dass Murphy im Sterben
lag, habe sie zum Suspendieren des Prozesses geraten. Das bedeute aber keine „Nachsicht“
gegenüber Murphy, so Levada: „Meine Lesart ist vielmehr, dass die Kongregation verstanden
hatte, dass ein komplexer kanonischer Prozess unnütz ist, wenn der Beschuldigte im
Sterben liegt.“ Übrigens sei der Prozess damals tatsächlich nicht ausgesetzt worden,
sondern bis zu Murphys bald darauf folgendem Tod weitergegangen. Als Christ, schreibt
Kardinal Levada, habe er keinen Zweifel daran, „dass Murphy jetzt vor seinem Richter
steht“.
Der oberste Glaubenshüter des Vatikans geht auch auf Vorwürfe gegen
den jetzigen Papst aus der Zeit ein, als Ratzinger Erzbischof von München war. Es
sei „anachronistisch, wenn die New York Times so tut, als müssten die, die 1980 Verantwortung
trugen, irgendwie schon das, was wir 2010 über Missbrauch wissen, intuitiv gefühlt
haben“.
Die Zeitung lasse es dem Papst gegenüber an „Gerechtigkeit“ fehlen
und wärme nur Vorurteile auf, so Levada in seinem langen Schreiben. Er bitte sie,
„ihren Angriff auf Papst Benedikt XVI. noch einmal zu überdenken und der Welt ein
ausgewogeneres Bild von einem Führer zu bieten, auf den man zählen sollte“.