Schönborn: „Vorsicht vor Reflex gegen die böse Welt“
Angesichts der Missbrauchskrise
hat Kardinal Christoph Schönborn die Christen vor dem Reflex gegen „die böse Welt“
oder „die Medien“ gewarnt. Bei der Ölweihe-Messe im Wiener Stephansdom sagte der Kardinal
am Montagabend, der Pauschalverdacht und die Kollektivschuldvorstellungen seien ungerecht
und „gegen alle Vernunft wie jedes Pauschalurteil“. Wörtlich stellte der Wiener Erzbischof
fest:
„Werden wir nicht alle ungerecht „in einen Topf“ geworfen? Wie kommen
unsere Gemeinden, unsere Priester, Religionslehrer, Pfarrgemeinderäte, die vielen
Ehrenamtlichen dazu? Es heißt immer pauschal „die Kirche“. Manche sehen darin die
Folge eines problematischen katholischen „Systems“, obwohl die Kirche in Wirklichkeit
kein Monolith und „unglaublich vielgestaltig“ ist. Die tiefere Ursache ist aber die
Glaubensüberzeugung, dass die Kirche tatsächlich „eine“ ist.“
Der Wiener
Erzbischof erinnerte an die Formulierung des Zweiten Vatikanischen Konzils vom „pilgernden
Gottesvolk“. Auch Kritiker spürten, wenn auch im Negativbild, dass die Kirche „eine“
sei. Kardinal Schönborn erinnerte an das „wunderbare Freiheitsverständnis“ und den
Sinn für Eigenverantwortung, die in der Passionserzählung beim Evangelisten Lukas
sichtbar würden:
„Jesus vertraut das Reich Gottes den Menschen an. Wie
viel enger sind wir: Wir kalkulieren alle Risiken, sichern uns ab. Gott wagt es, alles
in unsere Verantwortung zu geben. Das ist das Risiko des Unternehmens Jesu, das Kirche
heißt. Vor diesem Hintergrund muss man sich die Frage stellen, ob die derzeitigen
Schwierigkeiten nicht auch eine Folge davon sind, dass in der Kirche die Freiheit
zu wenig gefördert wurde.“
Bei der Ölweihe-Messe werden jeweils in der
Heiligen Woche die Heiligen Öle für die Sakramentenspendung (Taufe, Firmung, Priesterweihe,
Krankensalbung) in allen Gotteshäusern der Erzdiözese geweiht.
Medientermin Am
Donnerstag trifft Kardinal Christoph Schönborn mit der neubestellten unabhängigen
Opferbeauftragten Waltraud Klasnic zusammen. Bei diesem Treffen wird es um Grundlinien
der Tätigkeit von Klasnic gehen, schreibt der Pressedienst der Erzdiözese Wien am
Mittwoch. Im Anschluss ist um 13.30 Uhr ein Briefing mit Kardinal Schönborn und Klasnic
vorgesehen.