2010-03-25 14:49:26

Schweiz: Katholische Kirche befürchtet Austrittswelle


Verunsicherte Gläubige könnten verstärkt aus der Kirche austreten. So lautet der Tenor, den Schweizer Zeitungen am Mittwoch wiedergeben. Fehlbare Seelsorger müssten in einem zentralen Register erfasst werden – so lautet eine der vorgeschlagenen Maßnahmen gegen die befürchtete Tendenz. Die Bischöfe werden derweil die Situation analysieren und über weitere Schritte sprechen, erklärte der St. Galler Bischof Markus Büchel gegenüber dem „St. Galler Tagblatt“. Büchel setzt sein volles Vertrauen in jene Fachgremien, welche die katholische Kirche bereits eingesetzt hat, um die Missbrauchsfälle zu bearbeiten, und erinnert daran, dass die Mitglieder dieser Gremien gegenüber Dritten zur Schweigepflicht angehalten sind. Die Kirche in der Schweiz habe mit ihren bisherigen Entscheiden aber deutlich gemacht, dass sie darauf ziele, „sexuelle Übergriffe nicht intern zu behandeln“. Bei der Personalrekrutierung müsse die Kirche behutsam vorgehen. Der Einsiedler Abt Martin Werlen betont im Zürcher „Tages-Anzeiger“, im Kloster würden die Untersuchungen lückenlos durchgeführt. Ein Strafbestand werde zu einer entsprechenden Bestrafung führen. Ein schuldiger Mitbruder bleibe Mitglied der Gemeinschaft, außer im Extremfall, wo das Kirchenrecht die Ausschlussmöglichkeit vorsehe. Die Schaffung eines zentralen Registers, das fehlbare Seelsorger erfasst, erachtet der Abt als „sehr bedeutsam“. Er werde versuchen, die Schweizer Bischofskonferenz von der Dringlichkeit einer solchen Einrichtung zu überzeugen. Christoph Casetti, Sprecher des Bistums Chur, spricht sich ebenfalls für eine solche Liste aus. Diese müsse international geführt und bei der Kontrolle von Bewerbungen abgerufen werden können, forderte er in der „Südostschweiz“. Auch der Basler Generalvikar Roland-B. Trauffer geht davon aus, dass die Bischofskonferenz eine solche Liste erstellen wird. Er spricht sich in der „Thurgauer Zeitung“ für schnellere Informationswege und eine bessere Aufklärung aus. Die Bischöfe würden nun „genau und sachlich“ die Situation beraten. Sexuelle Gewalt gehe nicht aus dem Zölibat hervor, „sondern wird in über 95 Prozent der Fälle von Männern verübt, die in Ehen oder festen Partnerschaften leben“. Der Bischof von Lugano, Pier Giacomo Grampa, hat gemäß der „Neuen Luzerner Zeitung“ die Psychologen seines Bistums aufgefordert, Weisungen für die Ausbildung künftiger Priester zu erteilen. In der Ausbildung sollten spezifische Kurse angeboten werden, die das zölibatäre Leben und auch sexuelle Übergriffe thematisieren. Es brauche eine präventive Prüfung von Kandidaten, bevor man diese zum Priesteramt zulasse. In der „Basler Zeitung“ spricht der Rechtspsychologe Günter Bierbaum von „Schweigekartellen“. Der Fachbegriff für dieses Gruppenphänomen heiße „pluralistische Ignoranz“. Diese „Dynamik“ sei typisch für geschlossene Institutionen „wie die katholische Kirche“. Missbrauch sei weniger eine Frage des Charakters als der Situation. Der Zürcher Strafrechtler Daniel Jositsch fordert im gleichen Blatt: „Die Kirche muss endlich aufhören, das Problem intern regeln zu wollen.“ Die Negativschlagzeilen könnten der katholischen Kirche eine Austrittswelle bescheren, befürchten verschiedene Kirchenvertreter. Der Sprecher der katholischen Kirche des Kantons Zürich, Aschi Rutz, spricht im „Tages-Anzeiger“ von einem enormen Image-Schaden. Anfragen in Zürich für das Prozedere des Kirchenaustritts hätten zugenommen. Rutz gegenüber dem Schweizer Fernsehen: „Wir löffeln hier etwas aus, das ein Problem der Weltkirche ist, wo vor allem der Vatikan mit drin hängt. Denn es war dessen Politik, dass man versuchte, dies intern zu regeln, und er muss jetzt feststellen, dass dies nicht möglich ist beziehungsweise zu den Problemen führt, die wir jetzt haben.“ Ähnlich tönt es in Bern. Walter Spirig-Huber, Kommunikationsbeauftragter der katholischen Kirche Bern, fürchtet ebenfalls mehr Austritte. Die Dimension des Exodus könne aber jetzt noch nicht abgeschätzt werden. Auch der Sprecher der Schweizer Bischöfe, Walter Müller, meinte, ebenfalls im „Tages Anzeiger“, das Ansehen der Kirche habe gelitten. Für eine Analyse sei es jedoch noch zu früh. In Luzern erwartet man gleichfalls mehr Austritte. Der Synodalverwalter der katholischen Kirche, Edi Wigger, weist aber darauf hin, dass es „nüchtern betrachtet den meisten um das Geld“ gehe.

(kipa 25.03.2010 mg)








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