Mehrsprachig, technisch bewandert und vor allem mobil – so sollten Islands Priester
sein. Dabei werden sie auf dem Inselstaat mit seinen gerade einmal 319.000 Einwohnern,
davon unter drei Prozent Katholiken, immer seltener. Der Bischof von Reykjavik, Pierre
Bürcher, ist zurzeit mit einer Delegation skandinavischer Bischöfe im Vatikan. Wie
Islands katholische Kirche mit Priestermangel, Einwanderung und Wirtschaftskrise zu
kämpfen hat, erzählt der gebürtige Schweizer im Interview mit uns. Und er gibt dabei
einen kurzen historischen Überblick zu dieser Kirche im „hohen Norden“, von der man
selten etwas hört. „Island wurde 1923 eine eigenständige apostolische
Präfektur und 1929 ein eigenes apostolisches Vikariat, seit 1968 ist es Bistum. Auf
einer Fläche von 103.000 Quadratkilometern wohnen derzeit etwa 319.000 Personen, von
denen allerdings nur 9.625 Katholiken sind. Das Bistum zählt heute nur 20 Priester,
davon leider nur ein einziger isländischer Priester, und 31 Ordensfrauen. Gott sei
Dank haben wir jetzt drei Priesteramtskandidaten, die auch Isländer sind, so ist das
eine große Hoffnung.“ Während Islands lutherische Kirche als Staatskirche
finanziell unterstützt wird, werden andere religiöse Gemeinschaften rechtlich gesondert
behandelt. So gilt etwa die katholische Kirche als eine einzige Gemeinde im ganzen
Land und wird gemäß ihrer freiwillig registrierten Mitglieder geringfügig bezuschusst.
Im Bistum Reykjavik, dem weltweit nördlichsten Bistumssitz, haben sich viele Migranten
angesiedelt. Sie machen heute einen Großteil der isländischen Katholiken aus: „Die
Katholiken sind zu 80 Prozent Migranten, hauptsächlich aus Polen, Litauen und den
Philippinen. Mit der höchsten Prozentzahl in den nordischen skandinavischen Ländern
bilden sie momentan 3,1 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dem Alter nach ist die Bevölkerung
der katholischen Kirche sehr jung. Im Jahre 2009 fanden 198 Taufen statt und nur 12
Beerdigungen. Die Gemeindemitglieder sind hauptsächlich Gastarbeiter und junge Familien.“ Die
jungen Gläubigen und Migranten, die teilweise weit verstreut auf der Insel leben,
beleben die katholische Kirche, stellen sie aber auch vor neue Herausforderungen.
So sind Islands Priester – im Idealfall – mehrsprachig, technisch bewandert und mobil.
Der Bischof erklärt: „Die Katholiken leben ja über das ganze Land
verstreut, die Priester müssen sehr viel reisen, um sie zu erreichen. Die Kirche braucht
mehr Stützpunkte in den verschiedenen Siedlungen, die weit entfernt sind vom Zentrum
der Pfarrei. Auch der Religionsunterricht müsste ausgebaut werden. Immer noch gibt
es besonders auf dem Land – zum Beispiel im Westteil der Insel – Kinder, die leider
nicht leicht erreicht werden können. Die verschiedenen Sprachen und Herkünfte der
Familien machen diese Arbeit noch schwieriger. Und für die Jugendseelsorge fehlen
Räume. Wir arbeiten jedoch viel über Internet mit Skype, das ist sehr praktisch für
den Religionsunterricht und für Kinder, die sehr weit entfernt vom Pfarreizentrum
wohnen und unmöglich zum Religionsunterricht kommen können.“ Verschärft wird
diese Situation durch die Wirtschaftskrise. Sie hat Island, das bis vor zwei Jahren
noch als wohlhabend galt, besonders stark getroffen. Pro Kopf betragen die Schulden
des Landes etwa 11.000 Euro. Und vor wenigen Tagen stimmte die Mehrheit der Bürger
gegen eine Entschädigung für Gläubiger im Ausland. Der Bischof zeigt dafür Verständnis: „Ich
denke, dass es noch sehr lange dauern wird, bis Island sich von der jetzigen finanziellen
Krise erholen wird. Das gesamte Banksystem ist ja im Herbst 2008 über Nacht zusammengestürzt.
So etwas ist in keinem anderen Land Europas bis dahin geschehen. Man muss dazu bedenken,
dass auch England und die Niederlande eine Verantwortung tragen für den Bankrott der
isländischen Bank. Die beiden Länder hätten die Gelder überwachen sollen! Diese Kompetenz
lag nicht in den Händen Islands. Die Isländer können nicht die ganze Schuld übernehmen.“ (rv
22.03.2010 pr)