2010-03-21 12:39:17

Schweiz: Vorerst kein weiterer Handlungsbedarf


Die Bischofskonferenz sieht nach der Veröffentlichung des Hirtenbriefs zum sexuellen Missbrauch in der irischen Kirche und nach dem Bekanntwerden verschiedener Missbrauchsfälle in der Schweiz vorerst keinen Handlungsbedarf. Das erklärte ihr Informationsbeauftragter Walter Müller am Samstag. Der Brief des Papstes an die Katholiken in Irland sei auch für die Schweizer Kirche eine Ermutigung und eine Bestärkung darin, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.
Derweil übt der Einsiedler Abt Martin Werlen Kritik an der Kommunikationsarbeit des Vatikans. Ein Wort des Papstes müsse „in die Situation hingesprochen sein und darf nicht zwei Monate später kommen“, so der Benediktinerabt in einem Interview. Er fürchte, Rom nehme den gegenwärtigen Missbrauchsskandal nicht ernst genug. Werlen wörtlich: „Wenn ich daran denke, dass der Brief in englischer und italienischer Sprache herauskommt, aber nicht in Deutsch, dann verkennt man die Situation, wie sie zurzeit auch im deutschsprachigen Raum ist.“ Er plädiert außerdem für ein offensives Angehen der Probleme, denn „unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel“. Mit seinem Ansatz fühlt sich der Einsiedler Abt laut Interview jedoch „sehr einsam“. Nur wenige Verantwortungsträger schätzen seines Erachtens die Situation richtig ein. Abt Martin Werlen drängt auch auf ein Zentralregister von kirchlichen Missbrauchs-Tätern in Rom, „weil sich zeigt, dass Versetzungen von Priestern nicht nur innerhalb eines Landes geschehen“.

Der Bischof von Sitten und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Norbert Brunner, verweist in einem Interview auf die 2002 geschaffenen Strukturen zum Umgang mit Missbrauchsfällen: Sie seien „in der heutigen Situation sehr hilfreich“. Die Häufung, mit der in den letzten Wochen Missbrauchsfälle bekannt worden, überrasche ihn, so Brunner. Er führt sie darauf zurück, dass „die Gesellschaft heute sensibilisierter auf sexuellen Missbrauch reagiert und das Thema in den Medien präsent ist“. Die Häufung der Fälle ist nach Ansicht Brunners allerdings zu relativieren, weil sie sich auf mehrere Jahrzehnte beziehen. Brunner betonte in dem Interview weiter, dass auch fehlbare Priester eine zweite Chance bekommen sollten: „Wenn ich die Garantie habe, dass sich sein Vergehen nicht wiederholt, dass er bereut und die nötige Wiedergutmachung geleistet hat, kann er durchaus in einer Aufgabe tätig bleiben.“ Einen Zusammenhang zwischen den Missbrauchsfällen und dem Zölibat weist Brunner zurück. Auch eine allgemeine Entschuldigung der Institution Kirche „für die Tat eines anderen“ sei problematisch. Brunner wörtlich: „In erster Linie trägt der Täter die Verantwortung. Die Bischöfe haben aber die Pflicht, die Priesteramtskandidaten sorgfältig zu prüfen.“
Die eigene Sexualität ist im Priesterseminar Schulstoff. Darauf weist Ernst Fuchs, Leiter des Churer Priesterseminars, in einem Interview hin. Vor einer Aufnahme müssen die Anwärter zudem psychologische Tests bestehen. Jeder zweite Anwärter wird nach Worten von Fuchs abgelehnt. Die Sexualität werde während der Ausbildung im Seminar regelmässig thematisiert: in jährlichen Vorlesungen, Gesprächen unter vier Augen und alle zwei Jahre in einem Wochenendseminar.
Mehr Klarheit im Umgang mit Missbrauchsfällen wünscht sich der Luzerner Kirchenrechtler Adrian Loretan. Eine Zeitung zitiert ihn mit den Worten: „Es genügt nicht, zu warten, bis die Opfer Klage erheben vor einem staatlichen Gericht. Dazu sind die Fälle zu gravierend.“ Der Schweizer verwies auf den Vorstoss der bayerischen Bischöfe, die vor wenigen Tagen einstimmig beschlossen haben, künftig jeden Missbrauchsverdacht in der Kirche der Staatsanwaltschaft zu melden und diese Selbstverpflichtung in ihren kirchlichen Leitlinien so festzuhalten.
(kipa 21.03.2010 sk)







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