Zollitsch: „Klare Weisungen für die gesamte Kirche“
Ohne Wenn und Aber verurteilt der Papst die schrecklichen Verbrechen, die an jungen
Menschen begangen wurden. Das schreibt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch, an diesem Samstag zur Veröffentlichung des Hirtenbriefs
an die katholische Kirche in Irland. Der Text habe Geltung für die ganze Kirche und
sei eindeutig eine Botschaft auch an die Gläubigen in Deutschland, so Zollitsch.
Lesen
Sie hier die Erklärung von Erzbischof Robert Zollitsch
„Papst Benedikt
XVI. wendet sich durch seinen Hirtenbrief mit eindringlichen Worten an die Katholiken
in Irland. Was er ihnen sagt, hat Geltung für die ganze Kirche und ist eindeutig eine
Botschaft auch an uns in Deutschland. Ohne Wenn und Aber verurteilt der Papst die
schrecklichen Verbrechen, die an jungen Menschen begangen wurden, als Mitglieder der
Kirche, besonders Priester und Ordensleute, sie sexuell missbrauchten. Seine schonungslose
Analyse zeigt, dass sich der Heilige Vater dem Problem sexuellen Missbrauchs mit Ernst
und mit großer Sorge stellt. Dabei beklagt er, dass häufig auf die ‚ausreichende menschliche,
moralische, intellektuelle und geistliche Ausbildung in Seminarien’ viel zu wenig
Wert gelegt wurde. Vorrang hat für den Papst die Perspektive der Opfer. Deshalb kritisiert
er den zum Teil übermäßigen Täterschutz, den die Kirche häufig praktiziert habe. Wieder
und wieder drängt er darauf, dass die Vorgaben der Justiz und des staatlichen Rechts
einzuhalten seien. Vor allem aber müsse es, soweit das möglich ist, Heilung für die
Opfer geben. Es sind ergreifende Worte, die Papst Benedikt XVI. findet, wenn er sich
an die Opfer wendet und sie um Vergebung bittet: ‚Im Namen der Kirche drücke ich offen
die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen.’
Besonders bewegen mich
die deutlichen Worte des Papstes an die Priester und Ordensleute, die sich versündigt
haben. Sie haben das Vertrauen junger Menschen aufs Schlimmste verletzt und müssen
sich vor Gott und den Gerichten verantworten. Auch die Kritik des Papstes an den kirchlichen
Autoritäten lässt keine Fragen offen. Wenn die bittere Wahrheit offen ausgesprochen
wird, wirkt dies schmerzlich, aber auch befreiend. Ich bin für diese Worte dankbar.
Wir wissen, dass auch bei uns in Deutschland Fehler gemacht wurden. Wir deutschen
Bischöfe haben solche Fehler bei unserer Frühjahrsvollversammlung in Freiburg deutlich
erkannt und eingestanden. Wir dürfen Fehler nicht wiederholen und brauchen auch in
Deutschland eine lückenlose Aufklärung und uneingeschränkte Transparenz. Daran arbeiten
wir in allen Bistümern. Deshalb verstehe ich die Mahnung des Papstes an die Bischöfe
in Irland zugleich auch als Mahnung an uns. Der Skandal sexuellen Missbrauchs ist
kein bloß irisches Problem, er ist ein Skandal der Kirche an vielen Orten und er ist
der Skandal der Kirche in Deutschland.
Der Brief des Papstes ist auch ein geistliches
Dokument, das geistige und moralische Entwicklungen begreifen und aus dem Glauben
deuten will. Der Papst ist geprägt von der Hoffnung, dass Gottes Liebe im Leben von
Opfern und Tätern neue Anfänge möglich macht. Der Glaube motiviert vor allem dazu,
die Wunden zu heilen, soweit dies menschlich möglich ist. Mit herzlichen Worten wendet
sich der Papst an die junge Generation Irlands und bittet sie eindringlich, trotz
aller tragischen Erfahrungen nicht an der Kirche zu verzweifeln, sondern an ihrer
Erneuerung mitzuwirken. Dazu trägt auch eine große Geste des Papstes bei: Er fügt
seinem Brief ein Gebet der Hoffnung auf einen neuen Anfang bei, das er der Kirche
in Irland widmet. Ich bitte die Gläubigen in Deutschland, sich dieses Gebet als Gebet
auch für unser Land anzueignen. Wir gehen den Weg der Aufklärung und Aufarbeitung,
den Weg des aufmerksamen Hinschauens und der Prävention. Es ist ein langer Weg, der
Zeit braucht und Mühe kostet, den wir in Manchem noch lernen müssen, aber wir werden
keine Zeit verstreichen lassen. Der Heilige Vater ruft auch uns zu, dass wir diesen
Weg der Heilung, Erneuerung und Wiedergutmachung ohne Angst und gläubigen Mutes gehen
sollen.“