Vatikanzeitung: „Frauen in Leitung hätten Missbrauch verhindert“
Der Ausschluss von Frauen aus kirchlichen Leitungsämtern ist nach einem Leitartikel
der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ mitverantwortlich für die Missbrauchsskandale.
Eine grössere weibliche Präsenz in den Entscheidungsebenen der Kirche hätte möglicherweise
„den Vorhang männlicher Verschwiegenheit“ angesichts derartiger Verbrechen zerrissen.
Das schreibt die Historikerin Lucetta Scaraffia in einem Meinungsartikel für die Donnerstagsausgabe
des „Osservatore“. Frauen seien eher bereit, Kinder und Jugendliche vor sexuellem
Missbrauch zu verteidigen, begründet die Wissenschaftlerin ihre These. In entsprechenden
Positionen hätten sie schweren Schaden von der Kirche abwenden können. Trotz einer
gestiegenen theoretischen Wertschätzung kämen Frauen im Leben der Kirche noch immer
nicht angemessen vor. Auch wenn ihre Beteiligung grösser geworden sei, habe man ihr
Engagement „praktisch immer aus den Entscheidungsbereichen herausgehalten“, so Scaraffia,
die an der römischen Sapienza-Universität lehrt. Das „Gleichheitsproblem“ sei schon
in der frühen Kirche gesehen und mit einer „authentischen Revolution“ angegangen worden.
Diese „radikale Änderung“ habe schließlich die Grundlage für die „zeitgenössische
Frauenrevolution in den westlichen Gesellschaften“ geboten: „Doch während die Kirche
in früheren Jahrhunderten ihrer Zeit in der Frauenfrage voraus war, ist die Lage heute
umgekehrt.“ Bisher habe die Kirche vor allem zu „theoretischen Antworten“ gefunden;
der „Druck der Ausgeschlossenen“ sei daher „immer stärker spürbar“. „Das ist nicht
nur ein Problem der sozialen Gerechtigkeit und der Chancengleichheit – die Kirche
riskiert vielmehr, sehr wichtige Energien und Beiträge ungenutzt zu lassen.“ (kipa/or
11.03.2010 sk)