2010-03-11 11:00:34

Türkei: Schwenk in Ankaras Religionspolitik?


RealAudioMP3 Dürfen in der Pauluskirche in Tarsus bald wieder Messen für Pilger gefeiert werden? Die katholischen Bischöfe der Türkei haben eine mündliche Zusage in diese Richtung bekommen. Der Apostel Paulus ist in Tarsus geboren; die Kirche des Ortes ist jetzt ein Museum. Otmar Oehring, Türkei-Experte und Menschenrechtsbeauftragter des Hilfswerkes „Missio“, ist skeptisch, was die mündliche Zusage zu Tarsus betrifft.
„Es kann natürlich sein, dass im Rahmen der Bemühungen der Türkei – vor allem der Regierung –, sich bei der EU wieder in Erinnerung zu rufen im Hinblick auf die Beitrittsverhandlungen, das Thema Religionsfreiheit doch in den Vordergrund getreten ist... Die Türkei ist gerade in den letzten Jahren recht massiv durch Intoleranz gegenüber den nicht-muslimischen Religionsgemeinschaften aufgefallen; man denke nur an den Mord an einem italienischen katholischen Geistlichen oder an die Ermordung von drei evangelikalen Missionaren vor ungefähr zwei Jahren. Es gibt auch zahlreiche andere Übergriffe auf Geistliche verschiedener Kirchen und auf Gemeinden, Gebäude dieser Gemeinden usw., die ganz deutlich zeigen, dass es Intoleranz in der Türkei gegen nichtmuslimische Minderheiten gibt.“

Wenn es nun eine Zusage geben sollte, dass Christen die Pauluskirche wieder nutzen dürfen, dann wäre das ein Schwenk in Ankaras Religionspolitik, so Oehring.

„Wobei man natürlich die Einschränkung machen muss, dass es in Tarsus bedauerlicherweise überhaupt keine christliche Gemeinde mehr gibt. Es gibt eine kleine Schwesterngemeinschaft, die sich dort um die Pilger kümmert, aber keine einheimischen und dort ansässigen Christen“ Und das ist natürlich eines der Probleme, warum es in Tarsus aus türkischer rechtlicher Sicht überhaupt keine Kirche geben kann – weil die türkischen Gesetze eben vorsehen, dass Kirchenbau prinzipiell möglich ist, aber eben nur an Orten, an denen es eine nennenswerte Zahl von Gläubigen einer bestimmten Religionsgemeinschaft gibt... Das, worüber momentan gesprochen wird, wäre eine türkische Lösung: Der türkische Staat würde einfach ein Kirchengebäude, das der Staat vor geraumer Zeit einer anderen Kirche, nämlich der griechisch-orthodoxen, rechtswidrig weggenommen hat, zur Nutzung durch die katholische Kirche oder insgesamt durch die christlichen Kirchen zur Verfügung stellen.“

Allerdings: Diese „türkische Lösung“ ist aus Oehrings Sicht keineswegs die allerbeste, wenn man prinzipiell an Religionsfreiheit in der Türkei interessiert sei... Derweil kündigt die türkische Regierung nun auch an, das seit Jahrzehnten geschlossene griechisch-orthodoxe Priesterseminar Chalki wieder zu eröffnen. Das berichten mehrere türkische Nachrichtensender unter Berufung auf Vize-Ministerpräsident Bülent Arinc. Die Regierung betrachte den Wunsch der nicht-muslimischen Minderheiten nach Ausbildung von Geistlichen ihres Glaubens als eine berechtigte Forderung und als ihr gutes Recht, sagte Arinc nach einem Treffen mit christlichen und jüdischen Religionsführern im Istanbuler Amtssitz des Ministerpräsidenten. Die Regierung sei entschlossen, dass die Ausbildung am Priesterseminar wieder aufgenommen werde. Zwar habe das Verfassungsgericht den gesetzlichen Rahmen für einen solchen Schritt begrenzt, sagte Arinc. Er hoffe dennoch, dass die Wiedereröffnung des Seminars im Rahmen der bestehenden Gesetze „ohne grosse Verzögerungen“ verwirklicht werden könne. Das Priesterseminar, das auf einer Insel im Marmarameer vor Istanbul liegt, ist seit 1971 geschlossen. Weil das Patriarchat von Konstantinopel seither keine eigenen Geistlichen mehr ausbilden konnte, steht die 1700 Jahre alte Institution kurz vor dem Aus.
(domradio 11.03.2010 sk)







All the contents on this site are copyrighted ©.