Dürfen in der Pauluskirche
in Tarsus bald wieder Messen für Pilger gefeiert werden? Die katholischen Bischöfe
der Türkei haben eine mündliche Zusage in diese Richtung bekommen. Der Apostel Paulus
ist in Tarsus geboren; die Kirche des Ortes ist jetzt ein Museum. Otmar Oehring, Türkei-Experte
und Menschenrechtsbeauftragter des Hilfswerkes „Missio“, ist skeptisch, was die mündliche
Zusage zu Tarsus betrifft. „Es kann natürlich sein, dass im Rahmen der Bemühungen
der Türkei – vor allem der Regierung –, sich bei der EU wieder in Erinnerung zu rufen
im Hinblick auf die Beitrittsverhandlungen, das Thema Religionsfreiheit doch in den
Vordergrund getreten ist... Die Türkei ist gerade in den letzten Jahren recht massiv
durch Intoleranz gegenüber den nicht-muslimischen Religionsgemeinschaften aufgefallen;
man denke nur an den Mord an einem italienischen katholischen Geistlichen oder an
die Ermordung von drei evangelikalen Missionaren vor ungefähr zwei Jahren. Es gibt
auch zahlreiche andere Übergriffe auf Geistliche verschiedener Kirchen und auf Gemeinden,
Gebäude dieser Gemeinden usw., die ganz deutlich zeigen, dass es Intoleranz in der
Türkei gegen nichtmuslimische Minderheiten gibt.“
Wenn es nun eine Zusage
geben sollte, dass Christen die Pauluskirche wieder nutzen dürfen, dann wäre das ein
Schwenk in Ankaras Religionspolitik, so Oehring.
„Wobei man natürlich die
Einschränkung machen muss, dass es in Tarsus bedauerlicherweise überhaupt keine christliche
Gemeinde mehr gibt. Es gibt eine kleine Schwesterngemeinschaft, die sich dort um die
Pilger kümmert, aber keine einheimischen und dort ansässigen Christen“ Und das ist
natürlich eines der Probleme, warum es in Tarsus aus türkischer rechtlicher Sicht
überhaupt keine Kirche geben kann – weil die türkischen Gesetze eben vorsehen, dass
Kirchenbau prinzipiell möglich ist, aber eben nur an Orten, an denen es eine nennenswerte
Zahl von Gläubigen einer bestimmten Religionsgemeinschaft gibt... Das, worüber momentan
gesprochen wird, wäre eine türkische Lösung: Der türkische Staat würde einfach ein
Kirchengebäude, das der Staat vor geraumer Zeit einer anderen Kirche, nämlich der
griechisch-orthodoxen, rechtswidrig weggenommen hat, zur Nutzung durch die katholische
Kirche oder insgesamt durch die christlichen Kirchen zur Verfügung stellen.“
Allerdings:
Diese „türkische Lösung“ ist aus Oehrings Sicht keineswegs die allerbeste, wenn man
prinzipiell an Religionsfreiheit in der Türkei interessiert sei... Derweil kündigt
die türkische Regierung nun auch an, das seit Jahrzehnten geschlossene griechisch-orthodoxe
Priesterseminar Chalki wieder zu eröffnen. Das berichten mehrere türkische Nachrichtensender
unter Berufung auf Vize-Ministerpräsident Bülent Arinc. Die Regierung betrachte den
Wunsch der nicht-muslimischen Minderheiten nach Ausbildung von Geistlichen ihres Glaubens
als eine berechtigte Forderung und als ihr gutes Recht, sagte Arinc nach einem Treffen
mit christlichen und jüdischen Religionsführern im Istanbuler Amtssitz des Ministerpräsidenten.
Die Regierung sei entschlossen, dass die Ausbildung am Priesterseminar wieder aufgenommen
werde. Zwar habe das Verfassungsgericht den gesetzlichen Rahmen für einen solchen
Schritt begrenzt, sagte Arinc. Er hoffe dennoch, dass die Wiedereröffnung des Seminars
im Rahmen der bestehenden Gesetze „ohne grosse Verzögerungen“ verwirklicht werden
könne. Das Priesterseminar, das auf einer Insel im Marmarameer vor Istanbul liegt,
ist seit 1971 geschlossen. Weil das Patriarchat von Konstantinopel seither keine eigenen
Geistlichen mehr ausbilden konnte, steht die 1700 Jahre alte Institution kurz vor
dem Aus. (domradio 11.03.2010 sk)