2010-03-10 11:22:40

„Dialog wird zur eigenen Profilbildung beitragen“


RealAudioMP3 In Deutschland hat die islamische Theologie Aufwind erhalten: In den nächsten Jahren sollen auch islamische theologische Fakultäten an den Universitäten eingerichtet werden. Aber nicht erst dadurch wird eine inhaltliche Auseinandersetzung von Christentum und Islam nötig. Dominik Skala über ein Projekt, das jetzt an der Jesuitenuniversität Gregoriana in Rom vorgestellt wurde.

Das Verstehen oder Nicht-Verstehen des Anderen hängt oft damit zusammen, dass man zwar die gleichen Wörter benutzt, sie inhaltlich aber völlig verschieden füllt. Das passiert in der islamisch-christlichen Begegnung besonders häufig. Um dem zu begegnen, bereiten die Eugen-Biser-Stiftung in München und die islamisch-theologische Fakultät in Ankara ein gemeinsames Lexikon vor. Darin soll deutlich werden, wie die unterschiedlichen Begriffe in den unterschiedlichen religiösen Traditionen – Islam und Christentum – verstanden und gebraucht werden. Peter Antes ist Religionswissenschaftler aus Mannheim und einer der Mitverantwortlichen des Projektes. Gegenüber Radio Vatikan spricht er über Faktoren, die einer Verständigung zwischen den Religionen und Kulturen manches Mal im Wege stehen.

„Sowohl unterschiedliche Lesarten als auch historische Bezüge spielen eine Rolle. Wir versuchen, in den Beiträgen zu diesen Begriffen klar zu stellen, wie diese Begriffe entstanden sind, welche Bedeutung sie in der Vergangenheit hatten, und in wie weit sie überhaupt heutigen Bedürfnissen und dem Grundanliegen des Koran entsprechen.“  
Prominentestes Beispiel für solche Verständigungsblockaden auf beiden Seiten sei der Begriff des „Djihad“. Wenn es hier gelänge, mit Hintergrundinformationen fehlendes Wissen aufzuarbeiten, könne es gelingen, einerseits europäische Abwehrreflexe abzubauen, gleichzeitig aber auch den in Europa lebenden Muslimen eine brauchbare theologische Basis anzubieten.

„Der Begriff ‚Djihad’ wird ja gewöhnlich mit ‚Heiliger Krieg’ übersetzt. In dieser Form kommt er eigentlich aus einer juristischen Tradition, die die Welt in zwei Blöcke einteilt: Das Haus des Islam und das Haus des Krieges. Das entspricht aber der Realität der in Europa lebende Muslime überhaupt nicht mehr. Denn wenn sie in Europa leben, leben sie nicht im Haus des Krieges, aber auch nicht im Haus des Islam. Deshalb wird beispielsweise vorgeschlagen, noch eine dritte Terminologie einzuführen, nämlich einen Raum des religiösen Bekenntnisses, in dem die Religion frei gelebt werden kann.“  
Eine echte Herausforderung in einem solchen Prozess sei auch der jeweilige sprachlich-kulturelle Kontext. Wenn man Deutsch oder Italienisch spreche, spreche man automatisch immer auch ein wenig „christlich“. Gleiches gelte für den muslimischen Sprachraum: Das Türkische oder Arabische seien immer bereits schon „islamisch“ imprägniert. In dem aktuellen Projekt, das auf Deutsch und auf Türkisch publiziert werden soll, wolle man dem begegnen, indem man versuche, …

„… das vorliegende Vokabular aus den jeweiligen Traditionen heraus inhaltlich zu klären, um vor allem auch der Öffentlichkeit deutlich zu machen, was ein Muslim denkt, wenn er einen Begriff oder ein Christ den anderen Begriff gebraucht. Die Unterschiede im Vokabular liegen ja erst auf der Ebene des Verständnisses, denn die sprachlichen Termini sind die gleichen.“  
Vor einer wahren Herkulesaufgabe sieht Antes auch das Christentum. Zum ersten Mal in seiner Geschichte, so sagt er, müsse es sich als Religion gegenüber anderen Religionen auf einer Augenhöhe behaupten. Dieser Prozess, den er in diesem Jahrhundert als zentral sieht, bedeute aber auch eine Chance für alle beteiligten Akteure.

„Ich denke, dass die große Herausforderung im 21. Jahrhundert ist, das Christentum als Religion neu zu begreifen und damit auch dem Glaubensbekenntnis eine deutliche Note zu verleihen. Es ist sehr interessant, wie gerade die Muslime sich für die Entstehung des Glaubensbekenntnisses interessieren und versuchen nachzuvollziehen, wie es zum christlichen Glauben kommt und was es besagt. Und daher bin ich davon überzeugt, dass der Dialog auf beiden Seiten zu einer deulicheren Profilbildung des eigenen beiträgt.“  
Im Dialog mit den anderen Religionen, allem voran dem Islam, hat die Jesuitenuniversität Gregoriana in Rom mittlerweile eine Vorreiterrolle übernommen. An ihrem Beispiel könne auch die jetzt bald für Deutschland zu erwartende akademische Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen theologischen Fakultäten lernen. Peter Antes:

„Ich kann mir nur wünschen, dass in diesem Zusammenhang in Deutschland imitiert wird, was man hier an der Gregoriana bereits realisiert hat: Dass beispielsweise ein Jude, eine Muslima und ein Christ gemeinsam ein Seminar über Offenbarung halten und sich darüber austauschen, wie die jeweiligen Verständnisse dieses Begriffes sind. Ich kann nur wünschen, dass die Theologien sämtlicher Ausrichtungen gegeneinander offen bleiben, damit alle wissen, was jeder über den anderen und über sich selbst denkt.“ 
(rv 10.03.2010 ds)







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