In Deutschland hat
die islamische Theologie Aufwind erhalten: In den nächsten Jahren sollen auch islamische
theologische Fakultäten an den Universitäten eingerichtet werden. Aber nicht erst
dadurch wird eine inhaltliche Auseinandersetzung von Christentum und Islam nötig.
Dominik Skala über ein Projekt, das jetzt an der Jesuitenuniversität Gregoriana in
Rom vorgestellt wurde.
Das Verstehen oder Nicht-Verstehen des Anderen hängt
oft damit zusammen, dass man zwar die gleichen Wörter benutzt, sie inhaltlich aber
völlig verschieden füllt. Das passiert in der islamisch-christlichen Begegnung besonders
häufig. Um dem zu begegnen, bereiten die Eugen-Biser-Stiftung in München und die islamisch-theologische
Fakultät in Ankara ein gemeinsames Lexikon vor. Darin soll deutlich werden, wie die
unterschiedlichen Begriffe in den unterschiedlichen religiösen Traditionen – Islam
und Christentum – verstanden und gebraucht werden. Peter Antes ist Religionswissenschaftler
aus Mannheim und einer der Mitverantwortlichen des Projektes. Gegenüber Radio Vatikan
spricht er über Faktoren, die einer Verständigung zwischen den Religionen und Kulturen
manches Mal im Wege stehen.
„Sowohl unterschiedliche Lesarten als auch historische
Bezüge spielen eine Rolle. Wir versuchen, in den Beiträgen zu diesen Begriffen klar
zu stellen, wie diese Begriffe entstanden sind, welche Bedeutung sie in der Vergangenheit
hatten, und in wie weit sie überhaupt heutigen Bedürfnissen und dem Grundanliegen
des Koran entsprechen.“ Prominentestes Beispiel für solche Verständigungsblockaden
auf beiden Seiten sei der Begriff des „Djihad“. Wenn es hier gelänge, mit Hintergrundinformationen
fehlendes Wissen aufzuarbeiten, könne es gelingen, einerseits europäische Abwehrreflexe
abzubauen, gleichzeitig aber auch den in Europa lebenden Muslimen eine brauchbare
theologische Basis anzubieten.
„Der Begriff ‚Djihad’ wird ja gewöhnlich
mit ‚Heiliger Krieg’ übersetzt. In dieser Form kommt er eigentlich aus einer juristischen
Tradition, die die Welt in zwei Blöcke einteilt: Das Haus des Islam und das Haus des
Krieges. Das entspricht aber der Realität der in Europa lebende Muslime überhaupt
nicht mehr. Denn wenn sie in Europa leben, leben sie nicht im Haus des Krieges, aber
auch nicht im Haus des Islam. Deshalb wird beispielsweise vorgeschlagen, noch eine
dritte Terminologie einzuführen, nämlich einen Raum des religiösen Bekenntnisses,
in dem die Religion frei gelebt werden kann.“ Eine echte Herausforderung
in einem solchen Prozess sei auch der jeweilige sprachlich-kulturelle Kontext. Wenn
man Deutsch oder Italienisch spreche, spreche man automatisch immer auch ein wenig
„christlich“. Gleiches gelte für den muslimischen Sprachraum: Das Türkische oder Arabische
seien immer bereits schon „islamisch“ imprägniert. In dem aktuellen Projekt, das auf
Deutsch und auf Türkisch publiziert werden soll, wolle man dem begegnen, indem man
versuche, …
„… das vorliegende Vokabular aus den jeweiligen Traditionen
heraus inhaltlich zu klären, um vor allem auch der Öffentlichkeit deutlich zu machen,
was ein Muslim denkt, wenn er einen Begriff oder ein Christ den anderen Begriff gebraucht.
Die Unterschiede im Vokabular liegen ja erst auf der Ebene des Verständnisses, denn
die sprachlichen Termini sind die gleichen.“ Vor einer wahren Herkulesaufgabe
sieht Antes auch das Christentum. Zum ersten Mal in seiner Geschichte, so sagt er,
müsse es sich als Religion gegenüber anderen Religionen auf einer Augenhöhe behaupten.
Dieser Prozess, den er in diesem Jahrhundert als zentral sieht, bedeute aber auch
eine Chance für alle beteiligten Akteure.
„Ich denke, dass die große Herausforderung
im 21. Jahrhundert ist, das Christentum als Religion neu zu begreifen und damit auch
dem Glaubensbekenntnis eine deutliche Note zu verleihen. Es ist sehr interessant,
wie gerade die Muslime sich für die Entstehung des Glaubensbekenntnisses interessieren
und versuchen nachzuvollziehen, wie es zum christlichen Glauben kommt und was es besagt.
Und daher bin ich davon überzeugt, dass der Dialog auf beiden Seiten zu einer deulicheren
Profilbildung des eigenen beiträgt.“ Im Dialog mit den anderen Religionen,
allem voran dem Islam, hat die Jesuitenuniversität Gregoriana in Rom mittlerweile
eine Vorreiterrolle übernommen. An ihrem Beispiel könne auch die jetzt bald für Deutschland
zu erwartende akademische Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen theologischen
Fakultäten lernen. Peter Antes:
„Ich kann mir nur wünschen, dass in diesem
Zusammenhang in Deutschland imitiert wird, was man hier an der Gregoriana bereits
realisiert hat: Dass beispielsweise ein Jude, eine Muslima und ein Christ gemeinsam
ein Seminar über Offenbarung halten und sich darüber austauschen, wie die jeweiligen
Verständnisse dieses Begriffes sind. Ich kann nur wünschen, dass die Theologien sämtlicher
Ausrichtungen gegeneinander offen bleiben, damit alle wissen, was jeder über den anderen
und über sich selbst denkt.“ (rv 10.03.2010 ds)