In Fällen sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich ist es selbstverständlich,
die Sicherheits- und Justizbehörden zu verständigen: Dies betonte der Pressesprecher
der Erzdiözese Wien, Erich Leitenberger, am Dienstag auf Anfrage von Journalisten.
Im Normalfall sei es aber so, dass die Sicherheits- und Justizbehörden zumeist vor
kirchlichen Stellen Kenntnis von Fällen des sexuellen Missbrauchs erlangen. Nach Verständigung
durch die Sicherheits- und Justizbehörden werde kirchlicherseits sofort gehandelt.
Keinesfalls sei die Meinung der bundesdeutschen Justizministerin Sabine Leuthusser-Schnarrenberger
zutreffend, wonach Missbrauchsfälle „zuallererst der päpstlichen Geheimhaltung unterliegen
und nicht an Stellen außerhalb der Kirche weitergegeben werden sollen“. „Offensichtlich
kennen sich die Mitarbeiter der deutschen Ministerin im katholischen Kirchenrecht
nicht hundertprozentig aus“, stellte Leitenberger fest. Sabine Leuthusser-Schnarrenberger
nehme auf das Schreiben der Glaubenskongregation „Delicta graviora“ vom 30. April
2001 und das „Motuproprio“ Johannes Pauls II. vom selben Tag („Sacramentorum sanctitatis
tutela“) Bezug. Leitenberger: „Wer ‚Delicta graviora‘ unvoreingenommen liest, wird
erkennen, dass in diesem Dokument (Artikel 4, Paragraf 1) insbesondere auch der sexuelle
Missbrauch von Minderjährigen durch Kleriker aufs Korn genommen wird. Als Strafe wird
ausdrücklich auch die Amtsenthebung (‚Laisierung‘) genannt“. Tatsächlich sei es so,
dass in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen parallel zur staatlichen
Untersuchung auch ein kirchliches Strafverfahren durchzuführen sei. „Das verdanken
wir Kardinal Joseph Ratzinger, der 2001 darauf gedrungen hat, dass solche Straftaten
kirchlich nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden“, so Leitenberger. Es sei absurd,
den heutigen Papst jetzt der „Tendenzen zur Geheimhaltung“ beschuldigen zu wollen.