Nach dem Zweiten Vatikanischen
Konzil gab es in der katholischen Kirche - ebenso wie im 13. Jahrhundert - eine Gefahr
einer „utopischen und anarchischen Spiritualität“. Das sagte Papst Benedikt XVI. an
diesem Mittwoch anlässlich der Generalaudienz im Vatikan. Doch dank einer weisen Führung
konnte dies verhindert und die Einzigartigkeit der Kirche wie auch die Neuheit des
Konzils verteidigt werden, so Benedikt auf Italienisch.
Das Papsttreffen musste
„zweigeteilt“ werden, da über 12.000 Pilger und Besucher teilnahmen. Zunächst begrüßte
der Papst etwa 5.000 Gäste der italienischen Stiftung „Don Carlo Gnocchi“ im Petersdom.
Er erinnerte sie an den Seligen Priester Gnocchi, der – geprägt von den Schrecken
des Zweiten Weltkrieges die Stiftung „Pro Juventute“ gründete, um sich um die armen,
oft verstümmelten Kriegsweisen zu kümmern.
In der Audienzhalle sprach der Papst
vor etwa 7.000 Pilgern. Wie vergangene Woche ging es auch diesmal um den Heiligen
Bonaventura. Diesmal aber sprach Benedikt über Bonaventuras Denken und seine Werke.
„In seinem letzten, unvollendet gebliebenen Werk Hexaëmeron
– eine Auslegung zu den sechs Schöpfungstagen – legte er eine Geschichtstheologie
vor. Innerhalb des Franziskanerordens war die Bewegung der Spiritualen entstanden,
die in Franz von Assisi die Erfüllung der Prophezeiungen des schon verstorbenen Zisterzienserabtes
Joachim von Fiore sah. Das heißt: Es wird ein neues Zeitalter des Heiligen Geistes
kommen, das die bisherige Kirche hinter sich lassen wird und wo die Menschen in einer
neuen Freiheit und Weite leben werden. Bonaventura, der sich um eine authentische
Deutung des heiligen Franziskus und um den inneren Zusammenhalt seines Ordens und
dessen Sein in der Kirche mühte, wies diese Interpretation zurück: Es gibt nicht nach
der Zeit Christi noch eine Zeit des Heiligen Geistes, es ist keine andere Kirche zu
erwarten. So muß sich die franziskanische Gemeinschaft in die konkrete, reale Kirche
mit ihrer Lehre und ihrer inneren Ordnung einfügen.“
Das Phänomen
Franziskus zeige aber, dass der Reichtum des Wortes Christi unerschöpflich sei und
es Erneuerung und Fortschritt gebe, sagte der Papst. „Franziskus
war in seiner Zeit das Zeichen dafür, daß die Neuheit Christi in der Kirche lebt und
in ihr unerschöpflich ist. So hat Bonaventura den Franziskanerorden einerseits auf
dem Realismus aufgebaut, daß er in diese eine Kirche Christi gehört, andererseits
auf das Wissen um die Neuheit dieser Bewegung, die die alten Ordensideale überschritt
zu einer neuen Weise des Lebens in der Weite der Verkündigung und in missionarischer
Dynamik. Große Bedeutung hat Bonaventura als Autor spirituell-mystischer Schriften,
mit denen er seine Ordensregierung in diesem Sinne als zugleich voranführend und konkret,
den Menschen Rechnung tragend, darstellt und die Menschen von innen her zu führen
versucht. Das wichtigste Werk daraus ist das Itinerarium mentis in Deum – die Wanderschaft
des Menschen zu Gott –, wo er zeigt, daß, um zu Gott zu kommen, intellektuelle Anstrengung
allein nicht ausreicht, sondern die Reinigung des Herzens notwendig ist und das innere
Aufwärtsgehen des Menschen, die wirkliche Nachfolge Christi, die dann zu lebendiger
Erfahrung Gottes und zu innerer Freude führt.“ Und den deutschsprachigen
Gästen sagte er:
„Besonders grüße ich heute die Priester aus der
Diözese Linz mit ihrem Bischof Ludwig Schwarz sowie den Rektor, die Kollegsgemeinschaft
und die Ehemaligen des Collegio Teutonico di Santa Maria in Camposanto. Wie der heilige
Bonaventura wollen wir uns in die Schule des Göttlichen Meisters begeben, sein lebendiges
Wort aufnehmen, damit er in uns wohne und uns zur wahren Freude führe. Von Herzen
segne ich euch alle.“