Bildungsministerin
Annette Schavan stellt sich auf die Seite der Bischöfe: Sie sei gegen einen Runden
Tisch zum Thema Missbrauch, wenn es daran nur um Fälle an kirchlichen Einrichtungen
gehe. Das sagte die CDU-Politikerin und engagierte Katholikin am Sonntag in der Fernsehsendung
„Berlin direkt“. Schavan widersprach damit ihrer Kabinettskollegin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger;
die FDP-Justizministerin hatte einen solchen kirchenspezifischen Runden Tisch vorgeschlagen.
„Ein
Runder Tisch kann richtig sein; wer daran sitzen wird, das wird sich zeigen. Es wird
ganz gewiß nicht nur die katholische Kirche sein. Wir sprechen über ein Thema in pädagogischen
Einrichtungen, über den schwersten Vertrauensbruch, den es überhaupt geben kann! Das
ist kein Thema der Kirche allein, sondern der pädagogischen Einrichtungen!“ Schavan
wollte sich nicht auf die Frage einlassen, ob die Kirche im Missbrauchs-Skandal schon
genug mit den Staatsanwaltschaften zusammenarbeitet oder nicht:
„Ich finde,
die letzten Tage und Wochen haben gezeigt, dass die Kirche in Deutschland sehr entschlossen
ist, alles lückenlos aufzuklären und natürlich auch mit dem Staat zusammenzuarbeiten...
Ich glaube, mit Blick auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit ist jetzt wichtig, alles zu
tun, um Vertrauen wiederherzustellen.“
Aus der Sicht der CDU-Ministerin
ist die Art und Weise, wie die katholische Kirche mittlerweile mit den Missbrauchs-Skandalen
umgeht, geradezu beispielhaft. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kirche
selbst den Weg wählen wird, der ihrer Glaubwürdigkeit am meisten hilft. Das ist der
zentrale Punkt mit Blick auf die Opfer. Natürlich ist die Kirche auch in den letzten
Tagen längst die Institution geworden, die weit über kirchliche Kreise hinaus Opfern
die Möglichkeit gibt, sich zu melden: Wir haben es nicht mit einem Kirchenthema zu
tun, sondern mit einem Thema, das pädagogische Einrichtungen weit über den kirchlichen
Raum hinaus betrifft.“ Schavan zeigt sich erschrocken über das Ausmass der
Skandale an kirchlichen Einrichtungen. Dass auch in der katholischen Kirche keiner
ohne Sünde sei, habe sie zwar schon lange gewußt – aber:
„Das Ausmass an
Demütigung, Gewalt und Missbrauch von Kindern hätte ich mir nicht vorstellen können.“ In
der gleichen Sendung bekräftigte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger allerdings
ihre Forderung, der Runde Tisch solle sich ausschließlich mit dem Missbrauch im katholischen
Kontext befassen. Es gehe nicht darum, ein allgemeines Gespräch über Missbrauch zu
führen, meinte sie. Im Zentrum müsse stehen, die Opfer in den Blick zu nehmen und
mit ihnen zu reden.
Auch der Beauftragte für Missbrauchsfälle der Deutschen
Bischofskonferenz, Bischof Stefan Ackermann, wandte sich gegen den Ansatz Leutheusser-Schnarrenbergers.
Wenn es einen Runden Tisch gebe, dann müssten dazu alle Akteure eingeladen werden,
sagte er. Zugleich bekräftigte er, die katholische Kirche reklamiere für sich nicht
einen Raum jenseits des staatlichen Rechts. Deshalb sei eine Präzisierung der bischöflichen
Leitlinien zum Missbrauch von 2002 zu erwägen. Die Justizministerin betonte ihrerseits
die Forderung an die Kirche, die Richtlinien zu überarbeiten. Es müsse klar sein,
dass bei Missbrauchsfällen die Staatsanwaltschaft zu informieren sei. Leutheuser-Schnarrenberger
gehört zur „Humanistischen Union“, die manche Beobachter für antikirchlich halten.
Derweil
gibt es jetzt auch Missbrauchsvorwürfe gegen ein Kinderheim der Berliner Hedwigschwestern.
Eine ehemalige Bewohnerin gibt an, dass sie in den 50-er und 60-er Jahren von einer
Ordensfrau über Jahre hinweg missbraucht wurde. Die Vorwürfe richten sich gegen eine
heute 79 Jahre alte Berlinerin, die 1986 aus dem Orden austrat.