2010-03-01 15:29:27

Sudan: Brüchiger Friedensschluss in Darfur


Das letzte Waffenstillstandsabkommen für Darfur wird von Kirchenvertretern und Menschenrechtsexperten nur zögerlich als Durchbruch bewertet. Regierungsvertreter des Sudans und Mitgleider der Rebellengruppe „Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit“ (JEM) hatten am Dienstag unter Anwesenheit der Staatschefs der Nachbarländer Tschad und Eritrea sowie Vertretern der UNO und der USA ein Rahmenabkommen unterzeichnet. Ähnliche Friedensvereinbarungen waren im Sudan wiederholt gescheitert, zu unterschiedlich sind die unterschiedlichen Interessen im Land, zu brüchig das Vertrauen vor Hintergrund Jahrzehnte währender Konflikte. Ist auch der neue Pakt zum Scheitern verurteilt? Um eine Einschätzung baten wir Gerhard Baum, FDP-Abgeordneten und ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Sudan. Er ordnet das Abkommen in den Wahlkampf für die im April anstehenden Parlamentswahlen ein. „Das Abkommen ist natürlich bestimmt von der bevorstehenden Wahl im April. Der Präsident Bashir, der ja mit einem internationalen Haftbefehl wegen seiner Verstrickung in Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen gesucht wird, will offenbar international ein gutes Klima für sich schaffen. Aber ob das auf Dauer dazu beiträgt, den Konflikt zu lösen - da habe ich meine Zweifel.“ Das aktuelle Waffenstillstandsabkommen sieht unter anderem direkte Friedensgespräche, eine Beteiligung der JEM-Rebellen an der Macht in Darfur und die Freilassung von Kriegsgefangenen vor. Der Pakt sei vor allem durch eine Annäherung des Sudans an sein Nachbarland zustande gekommen, das die Rebellen unterstützt. Baum: „Der Hintergrund des jetzigen Friedensabkommens ist die Nähe der JEM zur Regierung des benachbarten Tschad, die vor Kurzem einen Versöhnungsprozess mit Khartoum begonnen hat. Die JEM vollzieht diesen Versöhnungsprozess nach. Aber wie erbittert die Auseinandersetzung war, kann man daran ablesen, dass die JEM noch vor etwa eineinhalb Jahren bei Nacht plötzlich mit einem Konvoi Bewaffneter nach Khartoum gekommen sind und dort die Hauptstadt angegriffen haben. Es gibt heute noch etwa 100 JEM im Gefängnis in Khartoum, die jetzt begnadigt werden sollen. Diese Aspekte sind möglicherweise auch Motivationen für den Friedensabschluss von Seiten der Rebellen.“ Die Darfur-Region sei von der Regierung in der Vergangenheit vernachlässigt worden, so Baum. Der Konflikt rühre nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Ansprüchen.
„Der Konflikt in Darfur gründet in dem Versuch dieser großen Region – sie hat etwa die Größe von Frankreich – , beteiligt zu werden an der Regierung in Khartoum und am wachsenden Wohlstand im Land. Denn es wird ja dort Öl gefördert.“ 
Die JEM ist die wichtigste, aber nicht die einzige Rebellengruppe. Kleinere Rebellengruppen tragen das Abkommen bisher nicht mit. Das sei zum Nachteil für einen dauerhaften Frieden, so Baum.

„Also ich bin vorsichtig optimistisch, aber eine dauerhafte Befriedung sehe ich zurzeit noch nicht. Was den Darfur-Konflikt im Westen angeht, müssten die anderen Oppositionsgruppen zu dem Abkommen beitreten, das ist nicht der Fall, und deshalb ist dieses Abkommen ganz brüchig. Nichtregierungsorganisationen haben immer wieder vorgeschlagen, dass eine Konfliktbereinigung und Versöhnung zunächst einmal auf lokaler Ebene stattfinden muss. Das ist bisher nicht geschehen, so dass es nicht ausgeschlossen ist, das die Kämpfe in Darfur weitergehen.“  Die verschiedenen Kräfte in dem westafrikanischen Staat zögen einfach nicht am gemeinsamen Strang, was die Bevölkerung langfristig zermürbe, beklagt der Menschenrechtsexperte. Das lasse sich auch an dem zweiten großen „Problem“ im Sudan ablesen, dem Kampf des Südens um Unabhängigkeit vom Norden, und zwar seit Abschluss des Friedensabkommens zwischen den beiden Landesteilen im Jahr 2005.
„Sie teilen sich das Land auf, machen eine Art Kuhhandel. Und der Süden unterdrückt die Opposition, ist ähnlich wie der Norden und die Regeirung in Khartoum also auch nicht demokratisch strukturiert. Im Grunde leidet das Land daran, dass die verschiedenen Regionen nicht zu einem Ausgleich gebracht werden, man bräuchte eine Nationalkonferenz, um die unterschiedlichen Interessen auszutarieren. Aber es ist so viel Bitterkeit da gewachsen, dass ich nicht sehe, dass man die Separation verhindern könnte.“ 
(rv 01.03.2010 pr)

 







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