Das letzte Waffenstillstandsabkommen für Darfur wird von Kirchenvertretern und Menschenrechtsexperten
nur zögerlich als Durchbruch bewertet. Regierungsvertreter des Sudans und Mitgleider
der Rebellengruppe „Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit“ (JEM) hatten am Dienstag
unter Anwesenheit der Staatschefs der Nachbarländer Tschad und Eritrea sowie Vertretern
der UNO und der USA ein Rahmenabkommen unterzeichnet. Ähnliche Friedensvereinbarungen
waren im Sudan wiederholt gescheitert, zu unterschiedlich sind die unterschiedlichen
Interessen im Land, zu brüchig das Vertrauen vor Hintergrund Jahrzehnte währender
Konflikte. Ist auch der neue Pakt zum Scheitern verurteilt? Um eine Einschätzung baten
wir Gerhard Baum, FDP-Abgeordneten und ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte
im Sudan. Er ordnet das Abkommen in den Wahlkampf für die im April anstehenden Parlamentswahlen
ein. „Das Abkommen ist natürlich bestimmt von der bevorstehenden Wahl im April.
Der Präsident Bashir, der ja mit einem internationalen Haftbefehl wegen seiner Verstrickung
in Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen gesucht wird, will offenbar international
ein gutes Klima für sich schaffen. Aber ob das auf Dauer dazu beiträgt, den Konflikt
zu lösen - da habe ich meine Zweifel.“ Das aktuelle Waffenstillstandsabkommen
sieht unter anderem direkte Friedensgespräche, eine Beteiligung der JEM-Rebellen an
der Macht in Darfur und die Freilassung von Kriegsgefangenen vor. Der Pakt sei vor
allem durch eine Annäherung des Sudans an sein Nachbarland zustande gekommen, das
die Rebellen unterstützt. Baum: „Der Hintergrund des jetzigen Friedensabkommens
ist die Nähe der JEM zur Regierung des benachbarten Tschad, die vor Kurzem einen Versöhnungsprozess
mit Khartoum begonnen hat. Die JEM vollzieht diesen Versöhnungsprozess nach. Aber
wie erbittert die Auseinandersetzung war, kann man daran ablesen, dass die JEM noch
vor etwa eineinhalb Jahren bei Nacht plötzlich mit einem Konvoi Bewaffneter nach Khartoum
gekommen sind und dort die Hauptstadt angegriffen haben. Es gibt heute noch etwa
100 JEM im Gefängnis in Khartoum, die jetzt begnadigt werden sollen. Diese Aspekte
sind möglicherweise auch Motivationen für den Friedensabschluss von Seiten der Rebellen.“ Die
Darfur-Region sei von der Regierung in der Vergangenheit vernachlässigt worden, so
Baum. Der Konflikt rühre nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Ansprüchen. „Der
Konflikt in Darfur gründet in dem Versuch dieser großen Region – sie hat etwa die
Größe von Frankreich – , beteiligt zu werden an der Regierung in Khartoum und am wachsenden
Wohlstand im Land. Denn es wird ja dort Öl gefördert.“ Die JEM ist die wichtigste,
aber nicht die einzige Rebellengruppe. Kleinere Rebellengruppen tragen das Abkommen
bisher nicht mit. Das sei zum Nachteil für einen dauerhaften Frieden, so Baum.
„Also
ich bin vorsichtig optimistisch, aber eine dauerhafte Befriedung sehe ich zurzeit
noch nicht. Was den Darfur-Konflikt im Westen angeht, müssten die anderen Oppositionsgruppen
zu dem Abkommen beitreten, das ist nicht der Fall, und deshalb ist dieses Abkommen
ganz brüchig. Nichtregierungsorganisationen haben immer wieder vorgeschlagen, dass
eine Konfliktbereinigung und Versöhnung zunächst einmal auf lokaler Ebene stattfinden
muss. Das ist bisher nicht geschehen, so dass es nicht ausgeschlossen ist, das die
Kämpfe in Darfur weitergehen.“ Die verschiedenen Kräfte in dem westafrikanischen
Staat zögen einfach nicht am gemeinsamen Strang, was die Bevölkerung langfristig zermürbe,
beklagt der Menschenrechtsexperte. Das lasse sich auch an dem zweiten großen „Problem“
im Sudan ablesen, dem Kampf des Südens um Unabhängigkeit vom Norden, und zwar seit
Abschluss des Friedensabkommens zwischen den beiden Landesteilen im Jahr 2005. „Sie
teilen sich das Land auf, machen eine Art Kuhhandel. Und der Süden unterdrückt die
Opposition, ist ähnlich wie der Norden und die Regeirung in Khartoum also auch nicht
demokratisch strukturiert. Im Grunde leidet das Land daran, dass die verschiedenen
Regionen nicht zu einem Ausgleich gebracht werden, man bräuchte eine Nationalkonferenz,
um die unterschiedlichen Interessen auszutarieren. Aber es ist so viel Bitterkeit
da gewachsen, dass ich nicht sehe, dass man die Separation verhindern könnte.“ (rv
01.03.2010 pr)