Mehr Aufregung bei
einer Vollversammlung der deutschen Bischöfe war selten. So fasst die Katholische
Nachrichtenagentur (KNA) die Frühjahrsvollversammlung zusammen. Besonders das Thema
„Missbrauch“ prägte die bischöfliche Versammlung in Freiburg. Das große Medieninteresse
merkte man spätestens an der Tatsache, dass mehr als hundert Journalisten und ein
Dutzend Fernsehteams das als Pressezentrum dienende Freiburger Priesterseminar bevölkerten.
Dies war vor allem dem Missbrauchsskandal geschuldet, der in den letzten Wochen ausgehend
vom Berliner Canisius-Kolleg eine Lawine ins Rollen brachte.
Die katholische
Kirche entschuldigte sich im sexuellen Missbrauchsskandal erstmals bei allen Opfern
– gleichzeitig gab es weitere Enthüllungen und Vorwürfe. Zollitsch bei der Abschluss-Pressekonferenz:
„Im
Raum der Kirche wiegt der Missbrauch besonders schwer, weil es ein besonderes Vertrauen
von Kindern und Jugendlichen in den Priestern gibt. In den Beratungen der Vollversammlung
ist unterstrichen worden, es darf keinen Missbrauch geben, schon gar nicht im Raum
der Kirche und wir Bischöfe bitten um Entschuldigung für das erlittene Unrecht.“
Zudem
sagten die Bischöfe zu, die vollständige Aufarbeitung der zumeist mehrere Jahrzehnte
zurückliegenden Fälle zur Chefsache zu machen und bereits im März bei Papst Benedikt
XVI. vorzubringen.
Streit mit Leutheusser-Schnarrenberger Dann
eskalierte der Streit zwischen Kirche und Bundesjustizministerin. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) warf den Bischöfen vor, nicht zur vollständigen Aufklärung der Missbrauchsfälle
beizuhelfen. Dies empörte den Konferenzvorsitzenden Erzbischof Zollitsch, der sichtlich
verärgert Leutheusser-Schnarrenberger zum Dementi aufrief. Er setzte ihr dafür ein
Ultimatum. Die Ministerin widerrief nicht. Mittlerweile wolle sie aber den Schlagabtausch
mit Zollitsch in einem persönlichen Gespräch mit ihm ausräumen. Zollitsch hatte zuvor
bei der Bundeskanzlerin direkt protestiert. „Es blitzt und donnert zwischen Staat
und Kirche“, kommentiert die „Süddeutsche Zeitung“.
Käßmanns Rücktritt Am
Mittwoch dann stand Margot Käßmanns Rücktritt als Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche Deutschlands (EKD) im Mittelpunkt. Das so vermittelte Bild einer zeitgleichen
moralischen Krise in der Führungsriege beider großen Kirchen beunruhige auch die katholischen
Bischöfe, so die kna.
Kaum Gehör Die weiteren Themen der
Frühjahrsvollversammlung fanden in der aufgeheizten Missbrauchsdebatte kaum Gehör.
Auf dem Programm standen die Neubewertung des deutschen Afghanistan-Einsatzes; die
Suche nach Rezepten, um im Schatten des demografischen Wandels das Auseinanderdriften
der Gesellschaft zu verhindern; die Beratungen über eine Neuübersetzung des Neuen
Testaments; die Neugestaltung der kirchlichen EU-Kontakte nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags
oder der Widerstand gegen befürchtete staatliche Eingriffe in die kirchliche Freiheit
an theologischen Fakultäten.