DBK: Erklärung aus Anlass der Aufdeckung von Fällen sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen
im kirchlichen Bereich
25.02.2010: Erklärung der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
Enthüllungen
sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche und Mitarbeiter der Kirche erschüttern
uns in diesen Tagen. Wir Bischöfe stellen uns unserer Verantwortung. Wir verurteilen
die Verbrechen, die Ordensleute sowie Priester und Mitarbeiter unserer Bistümer begangen
haben. Beschämt und schockiert bitten wir alle um Entschuldigung und Vergebung, die
Opfer dieser abscheulichen Taten geworden sind.
1. Die Wahrheit aufdecken
Wer
sich an Kindern oder Jugendlichen sexuell vergeht, fügt ihnen oft lebenslang quälende
Wunden zu. Lehrer und Erzieher verraten dabei aufs Tiefste das Vertrauen junger Menschen.
Sie verletzen ihre Intimsphäre, statt sie zu schützen. Wenn der Täter ein Priester
ist, wiegt dieses Vergehen besonders schwer. Es steht im Widerspruch zum geistlichen
Amt, weil dann der Priester die besondere Nähe ausnutzt, die Menschen mit einem Seelsorger
verbindet. Wir deutschen Bischöfe sind betroffen über jeden Fall sexuellen Missbrauchs
durch Geistliche und andere Mitarbeiter. Wir wollen eine ehrliche Aufklärung, frei
von falscher Rücksichtnahme, auch wenn uns Vorfälle gemeldet werden, die schon lange
zurückliegen. Die Opfer haben ein Recht darauf.
2. Die Leitlinien auswerten
Wir stehen nicht am Anfang der Auseinandersetzung mit solchen Verfehlungen,
auch wenn wir ihr Ausmaß bislang unterschätzt haben. Vor acht Jahren haben wir die
„Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche
im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ (26.09.02) erarbeitet. Sie gelten in allen
Bistümern. Der Zusammenschluss der deutschen Ordensoberen hat sie übernommen. Sie
verhindern Vertuschung und Verschleierung. Die Leitlinien sagen den Opfern und ihren
Angehörigen eine menschliche, therapeutische und seelsorgliche Hilfe zu, die individuell
angepasst ist. In jedem Bistum gibt es Ansprechpartner, an die man sich im Verdachtsfall
oder mit Fragen wenden kann. Wir werden klären, wie ihre Auswahl noch verbessert werden
kann und ob ihre Arbeit durch weitere Personen und Ombudsleute ergänzt werden soll.
Besondere Bedeutung hat für uns auch die frühzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaften.
Wir unterstützen die Behörden aktiv bei ihrer Arbeit. Wir haben einige Verantwortliche
im Personalbereich unserer Bistümer gebeten, mit der Unterstützung unabhängiger externer
Berater die Leitlinien und ihre Umsetzung zu überprüfen. Wir erwarten bis zum Sommer
weiterführende Vorschläge.
3. Die Prävention stärken
Die Vergangenheit
verlangt Aufklärung und den Schutz gegen den Rückfall von Tätern. Deshalb holen wir
vor der Entscheidung über die berufliche Zukunft eines Täters die Stellungnahme anerkannter
Spezialgutachter ein und werden diese Begutachtung zur Pflicht machen.
Die
Zukunft verlangt weitere Schritte zur umfassenden Prävention. Wir fordern die Gemeinden
und besonders die Verantwortlichen in unseren Schulen und der Jugendarbeit auf, eine
Kultur des aufmerksamen Hinschauens zu pflegen. Wir unterstützen eine Pädagogik, die
der Stärkung der Persönlichkeit jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen verpflichtet
ist. Die Forderung nach Prävention betrifft alle Bereiche der Gesellschaft, wo
Kinder und Jugendliche zu Erwachsenen ein Verhältnis besonderen Vertrauens unterhalten
und zugleich von ihnen abhängig sind.
In Deutschland gibt es viele Initiativen
der Zivilgesellschaft und Einrichtungen des Staates gegen sexuelle Gewalt an Kindern
und Jugendlichen. Sie helfen dabei, Aufklärung und Prävention zu stärken. Wir wollen
von ihnen lernen und zeitnah das Gespräch suchen, um klarer zu erkennen, was der Kirche
zur Prävention sexuellen Missbrauchs in ihrem eigenen Bereich möglich und abverlangt
ist. Wir Bischöfe führen auch Gespräche mit Opfern. Wir werden tun, was wir zu tun
im Stande sind, damit die Wunden heilen können und keine neuen zugefügt werden.
Der
Zölibat der Priester ist, wie uns Fachleute bestätigen, nicht Schuld am Verbrechen
sexuellen Missbrauchs. Ein zölibatäres Leben kann aber nur versprechen, wer dazu die
nötige menschliche und emotionale Reife hat. Zur Prävention gehört eine entsprechend
sorgfältige Ausbildung der künftigen Priester. Deshalb geben wir einen Bericht in
Auftrag, ob wir den Weihekandidaten im Hinblick auf die Eignung zum Zölibat noch bessere
Hilfen zur Stärkung der psychosexuellen Reife anbieten können. Wir prüfen zudem, welche
weiterführenden Formen der Unterstützung unserer Priester es in diesem Bereich gibt. Auch
unsere pastoralen und pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen entsprechend
geeignet sein und begleitet werden.
4. Verantwortung verorten
Der
Bischof von Trier, Dr. Stephan Ackermann, ist ab sofort besonderer Beauftragter der
Bischofskonferenz für alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger
im kirchlichen Bereich. Ihn unterstützt ein Büro, das wir im Sekretariat der Deutschen
Bischofskonferenz einrichten. Es wird die Zusammenarbeit zwischen den Bistümern und
mit den Orden in allen relevanten Fragen ausbauen und für die Verbindung mit den zivilgesellschaftlichen
Initiativen und staatlichen Aktivitäten sorgen. Wir starten zudem eine bundesweite
Hotline zur Information in Fragen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen
Bereich.
Wir deutschen Bischöfe danken allen, die in diesen Wochen dabei
helfen, Unrecht und Leid im Zusammenhang sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen
Bereich aufzuklären und aufzuarbeiten. Wir bitten zugleich um die Unterstützung durch
den Sachverstand derer, die außerhalb der Kirche aktiv sind. Die allermeisten Geistlichen
verrichten ihren Dienst mit Hingabe und großer Glaubwürdigkeit. Wir danken ihnen und
allen anderen Mitarbeitern, besonders in den katholischen Schulen und in der Jugendarbeit,
für ihren großen Einsatz, den sie auch in diesen schwierigen Wochen unbeirrt erbringen.
Die Fastenzeit gibt uns in besonderer Weise die Gelegenheit zu Gewissenserforschung
und Umkehr, damit unser Lebenszeugnis glaubwürdig ist.