Türkischer Diplomat: „Ethik ist Religionen gemeinsam“
Die Verständigung zwischen den Religionen ist Schlüssel auch kultureller Verständigung.
Das hat der Botschafter der Türkei beim Heiligen Stuhl, Kenan Gürsoy, jetzt betont.
Er legte im Rahmen der Vortragsreihe „Identität und Religion“, die am Dienstagabend
an der Päpstlichen Jesuitenhochschule Gregoriana in Rom gestartet ist, seine Vorstellung
vom Miteinander der Religionen dar:
„Wir alle sind von einer bestimmten
Tradition geprägt und darüber hinaus Gläubige einer bestimmten Religion. Das, was
uns aber allen gemeinsam ist, das ist er ethische Anspruch, der unseren Religionen
inne wohnt. Ihr Bewusstsein um Werte. Hierin zeigt sich die universelle Größe der
Religionen, trotz aller Verschiedenheiten. So etwas wie eine interreligiöse Ethik.
Und jeder von uns muss auf die Suche nach dieser universellen Botschaft gehen.“ Die
islamische Mystik könne eine Brücke zu diesem Universalismus bauen, betonte der Diplomat.
So vereine die jahrhundertealte Tradition des Sufismus verschiedene mystische Strömungen,
die von der meditativen Rezitation der „neunundneunzig schönsten Namen Gottes“ und
damit von der Reflexion der eigenen Gottesbeziehung lebten. Das bereite auch den Weg
für die Begegnung mit anderen Religionen und könne dazu beitragen, Vorurteile, die
besonders im Zuge des radikalislamischen Terrorismus angewachsen seien, abzubauen:
„Der
Sufismus ist keine Doktrin und kann keine eigene Kirche begründen. Er ist auch keine
religiöse oder philosophische Schule, sondern vielmehr eine Energie. Und diese ermöglicht
es uns, die verschiedenen Linien des Islam in einem neuen Licht zu sehen. So können
auch die sunnitische und schiitische Tradition in Einklang miteinander gebracht werden.
Und mehr noch: Die sufische Blickrichtung ermöglicht es uns, alle monotheistischen
Religionen neu wahrzunehmen! Hier wird so etwas wie eine Neuinterpretation der Geschichte
der Religionen auf philosophischer Ebene möglich – auch, wenn das erstmal eine Utopie
darstellt.“ (rv 18.02.2010 vp)