Wir dokumentieren hier die Predigt des Papstes zum Aschermittwoch in einer Arbeitsübersetzung.
Du
erbarmst Dich aller, o Herr, und hast Nachsicht mit den Sünden der Menschen, damit
sie sich bekehren; denn Du bist unser Herr, unser Gott. (Eröffnungsvers der Messe
vom Aschermittwoch)
Verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Schwestern und
Brüder!
Mit dieser bewegenden Anrufung, aus dem Buch der Weisheit, führt die
Liturgie die Eucharistiefeier des Aschermittwochs ein. Es sind Worte die, in gewisser
Weise, den gesamten Weg der Fastenzeit eröffnen, indem sie als ihr Fundament die Allmacht
der Liebe Gottes setzen, seine absolute Herrschaft über jede Kreatur, die sich in
unendliche Vergebung verwandelt, die vom konstanten und universellen Lebenswillen
angetrieben wird. Tatsächlich bedeutet jemandem vergeben ja, ihm zu sagen: ich will
nicht, dass Du stirbst, sondern dass Du lebst, ich will immer und nur das Gute für
Dich.
Diese absolute Sicherheit hat Jesus während der 40 Tage in der Wüste
Judäas nach der Taufe ,die er von Johannes im Jordan empfangen hatte, unterhalten.
Jene lange Zeit des Schweigens und des Fastens war für ihn ein vollständiges sich
anvertrauen - dem Vater und seinem Plan der Liebe. Es war dieses selbst eine Taufe,
also ein Eintauchen in seinen Willen, und in diesem Sinne eine Vorwegnahme der Passion
und des Kreuzes. Alleine in die Wüste vorzustoßen und lange dort zu verweilen, bedeutete
sich freiwillig den Angriffen des Feindes auszusetzen, des Versuchers der Adam zu
Fall gebracht hat und durch dessen Neid der Tod in die Welt gekommen ist. Es bedeutete
die offene Feldschlacht mit ihm zu suchen, ihn herauszufordern ohne andere Waffen
als das grenzenlose Vertrauen in die allmächtige Liebe des Vaters. Mir reicht Deine
Liebe, meine Speise ist Dein Wille: die Überzeugung wohnte in Geist und Herz Jesu
während seiner „Fastenzeit“. Es war kein Akt des Stolzes, eine titanische Aufgabe,
sondern ein Wahl aus Demut, in Übereinstimmung mit der Inkarnation und der Taufe im
Jordan, in der selben Liebe des Gehorsams zur erbarmenden Liebe des Vater, der die
Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab.
Als dies hat
der Herr Jesus für uns gemacht. Er hat es gemacht um uns zu retten und um uns gleichzeitig
den Weg zu zeigen, um ihm zu folgen. Das Heil ist ja tatsächlich ein Geschenk eine
Gnadengabe Gottes, aber damit sie in meinem Leben wirksam wird verlangt sie meine
Zustimmung, eine Annahme, die sich in den Fakten zeigt, also im Willen so zu leben,
wie Jesus, im hinter ihm gehen. Jesu in die fastenzeitliche Wüste zu folgen, ist von
daher eine notwendige Bedingung um an seinem Ostern teilzuhaben, seinem Exodus. Adam
wurde aus dem irdischen Paradies vertrieben, Symbol der Gemeinschaft mit Gott. Jetzt
um zu dieser Gemeinschaft also zum Ewigen Leben zurückzukehren, muss die Wüste durchquert
werden, die Prüfung des Glaubens, aber nicht allein, sondern mit Jesus, Er ist uns
- wie immer - vorausgegangen und hat im Kampf gegen den Geist des Bösen schon gesiegt.
Hier liegt auch der Sinn der Fastenzeit, der liturgischen Zeit die uns jedes Jahr
einlädt die Wahl Christus auf dem Weg der Demut nachzufolgen zu erneuern um an seinem
Sieg über Sünde und Tod teilzuhaben.
In dieser Perspektive lässt sich auch
das Buß-Zeichen der Asche verstehen, die auf das Haupt derjenigen gestreut wird die
in rechtem Willen den vierzigtägigen Weg beginnen. Es ist wesentlich eine Geste der
Demut, die bedeutet: Ich erkenne mich selbst als das an, was ich bin, eine zerbrechliches
Geschöpf, gemacht aus Erde und zur Erde bestimmt, aber ebenso gemacht nach dem Bild
Gottes und zu ihm hin bestimmt. Staub, ja, aber geliebt, gehaucht von seiner Liebe,
belebt von seinem lebendigen Hauch, fähig seine Stimme zu erkennen und ihr zu antworten.
frei und deswegen auch fähig zum Ungehorsam, indem er der Versuchung des Stolzes und
der Selbstgenügsamkeit nachgibt. Von daher die Sünde, tödliche Krankheit die schon
sehr früh eingedrungen ist um die gesegnete Erde des menschlichen Wesens zu vergiften.
Geschaffen vom Heiligen und Gerechten, hat der Mensch seine eigene Unschuld verloren
und kann nur dank Gottes Gerechtigkeit zum gerecht sein zurückkehren, die Gerechtigkeit
der Liebe, die - wie der Hl. Paulus schreibt - „aus dem Glauben an Jesus Christus
offenbart“ ist. Aus diesen Worten des Apostels habe ich den Anstoß für meine Botschaft
genommen, die ich aus Anlass dieser Fastenzeit an alle Gläubigen gerichtet habe: eine
Reflexion über das Thema der Gerechtigkeit im Licht der Heiligen Schriften und ihrer
Erfüllung in Christus.
Auch in den biblischen Lesungen des Aschermittwochs
ist das Thema der Gerechtigkeit präsent. Vor allem die Seite des Propheten Joel und
der Antwortpsalmes - das Mieserere - bilden eine Dyptichon der Buße, das als Ursprung
aller materialen und sozialen Ungerechtigkeit das unterstreicht, was die Bibel „böse
Tat“ nennt, also die Sünde, die grundsätzlich im Ungehorsam gegenüber Gott besteht,
anders gesagt ein Fehlen von Liebe. „Ja,“ - bekennt der Psalmist - „ich erkenne meine
bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt,
ich habe getan, was dir missfällt.“. Der erste Akt der Gerechtigkeit ist also die
eigene Schuld anzuerkennen und anzuerkennen, dass diese im Herzen, im Zentrum der
menschlichen Person selbst, verwurzelt ist . Das Fasten, das Weinen, das Klagen und
jeder Ausdruck der Buße haben Wert vor den Augen Gottes aber nur dann, wenn sie Zeichen
des ehrlich bußfertigen Herzens sind. Auch das Evangelium - genommen aus der Bergpredigt,
besteht auf der Notwendigkeit die eigene Gerechtigkeit in der Praxis umzusetzen -
Almosen, Gebet, Fasten - nicht vor den Menschen, sondern nur vor den Augen Gottes,
der „das Verborgene sieht“. Der wahre „Lohn“ ist nicht die Bewunderung der Anderen,
sondern die Freundschaft Gottes und die Gnade die von nichts herrührt, eine Gnade,
die Frieden und Kraft gibt das Gute zu tun, zu lieben auch den der es nicht verdient,
zu vergeben, der uns angegriffen hat.
Die zweite Lesung, der Appell sich mit
Gott versöhnen zu lassen, enthält eines der berühmtesten paulinischen Paradoxa, das
alle Reflexion über die Gerechtigkeit in das Mysterium Christi zurückführt: r hat
den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit
Gottes würden.“ (2 Kor 5, 21) Im Herzen Christi, das heißt im Zentrum seiner göttlich-menschlichen
Person, hat sich in entscheidender und definitiver Weise das Drama der Freiheit abgespielt.
Gott hat den eigenen Heilsplan bis zu den extremen Konsequenzen geführt, und blieb
dabei seiner Liebe treu, auch wenn dies den Preis hatte den eingeborenen Sohn dem
Tod zu überlassen, dem Tod am Kreuze, wie ich in meiner Botschaft für die Fastenzeit
gesagt habe: „Wahrhaftig, hier enthüllt sich die göttliche Gerechtigkeit, die grundverschieden
von jener der Menschen ist. ….Dank der Erlösungstat Christi wird uns die ungleich
größere Gerechtigkeit zuteil, jene, die aus der Liebe erwächst (vgl. Röm 13,8-10)“
Liebe
Schwestern und Brüder, auch in unseren Tagen hat es die Menschheit nötig in eine gerechtere
Welt zu hoffen, zu glauben, dass diese möglich sei, trotz aller Enttäuschungen, die
sich aus den tägliche Erfahrungen ergeben. Wenn sie eine neue Fastenzeit, einen neuen
Weg der geistlichen Erneuerung beginnt, deutet die Kirche auf die persönliche und
gemeinschaftliche Bekehrung hin, die der einzige nicht illusorische Weg ist eine gerechtere
Gesellschaft zu schaffen, in der alle das Lebensnotwendige gemäß der Menschenwürde
haben. Bekennen wir also aufrichtig unser Sünden, bekehren wir uns von ganzem Herzen
zu Gott und lassen wir uns mit ihm versöhnen. So können wir, mit der Gnade Christi
und mit der himmlischen Fürsprache der Allerseligsten Maria, in aller Demut die Gerechtigkeit
bezeugen, die ein Geschenk Gottes ist, und der menschlichen Gemeinschaft helfen, gemäß
der Liebe, in der Wahrheit voranzuschreiten.