Vatikan/Irland: Es geht um die Wahrheit, die ganze Wahrheit
An diesem Montag und
Dienstag haben im Vatikan die Krisengespräche zu den Missbrauchsfällen in Irland stattgefunden.
24 Bischöfe und damit fast die gesamte Bischofskonferenz des Landes waren in Rom,
um mit dem Papst zu sprechen. In Einzelgesprächen und in Anwesenheit der Chefs der
wichtigsten Ministerien des Vatikans hatte jeder Bischof eine Privataudienz mit dem
Papst, um die Missbrauchsfälle und vor allem den Umgang damit zu besprechen. Unsere
Kollegin Emer McCarthy hat Bischof Joseph Duffy zu diesen Gesprächen interviewt. Er
ist Bischof von Clogher und Sprecher der Bischofskonferenz des Landes. Mit welcher
Einstellung sind die Bischöfe in diese Gespräche hineingegangen? „Ich
denke, dass die Bischöfe eine Verantwortung haben, so offen und ehrlich zu sein, wie
es ihnen möglich ist. Jeder Bischof wird aus seiner eigenen Erfahrung heraus sprechen,
wie er die Dinge vorfindet und wie er meint, dass die Dinge verbessert werden könnten,
denn alles ist verbesserungswürdig, soviel müssen wir zugeben. Wir versuchen, einen
Weg der moralischen Verantwortung und Ehrlichkeit zu gehen. Wir akzeptieren, das unsere
moralische Autorität in Frage gestellt wird und dass es um nichts anderes geht als
Wahrheit, die ganze Wahrheit.“ Einer der Vorwürfe gegen die Kirche
Irlands war, dass die Rolle der Laien, wie sie im letzten Konzil anvisiert war, in
Irland nie wirklich umgesetzt wurde. Hier sei eine der Ursachen für die aktuelle Krise
zu finden. Dazu sagte Bischof Duffy: „Dem muss ich zustimmen in
dem Sinn, dass die Charismen der Laien nicht voll erkannt oder entwickelt oder zugelassen
wurden. Ein möglicher Grund dafür war, dass wir eine Überfülle an Klerikern in Irland
hatten, es gibt immer noch eine ausreichende Zahl von Priestern dort, um die Struktur
der Kirche zu erhalten. Jeder weiß das. Es ist eine Frage des Drucks der Umstände,
der der stärkste Einfluss auf die Änderung menschlichen Verhaltens ist. Für uns stellt
sich die Frage, ob wir uns in die Sache hineinziehen lassen oder ob wir selbst aktiv
werden. Natürlich sollten wir selber aktiv sein.“ Ein Weg sei also
das Abwenden von der Kleruszentrierten Kirche Irlands? „Absolut.
Natürlich gibt es viele Priester, die die Richtige Sicht auf die Dinge haben. Aber
es geht nicht nur um Priester und Kleriker: jeder Christ hat Gnade empfangen und jeder
in verschiedener Weise. Diese Gaben sind da, es ist nur eine Frage, sie zu entdecken,
entwickeln, zu unterscheiden, jedenfalls sehe ich das so.“ In Irland
gibt es eine Organisation „Count me out“, übersetzt etwa „Zählt nicht auf mich, ich
bin weg“. In der Woche nach dem Erscheinen des Murphy-Reports hatte ihre Webseite
2.000 Angaben von Menschen, die die Kirche verlassen wollten. Was tut die Kirche für
diese Menschen, die den Glauben verloren haben oder ihn schlicht verlassen, und für
die Menschen, die in ihrem Glauben erschüttert sind? „Es ist unsere
Pflicht, uns darum zu kümmern und zu erkennen, was das wirklich ist: ein Zeichen für
die latente Abneigung von Seiten vieler, vieler Menschen, und nicht nur derer, die
sich auf Grund dieser Skandale abwenden. Diese sind nur die Spitze des Eisberges.
Es gibt so viele andere, wir müssen uns nur umschauen und die Zahl der Menschen heute
sehen, die nur noch dem Namen nach Gläubige sind. Ich mache diesen Job nun seit über
30 Jahren und denke, dass ich weiß, ob Dinge ernst genommen werden oder nicht. Und
ich kann Ihnen sagen, dass diese Sache sehr, sehr ernst genommen wird. Alles ist jetzt
in der Öffentlichkeit und das ist der einzige Weg. Die Wahrheit muss herauskommen,
die muss. Es gibt keinen anderen Weg.“ (rv 16.2.2010 ord)