Die Integration von
Muslimen – sie wird in Europa derzeit mehrfach diskutiert. Nicht nur in Frankreich
und der Schweiz, wo sich Debatten um Burka und Minarett mit Diskussionen um die nationale
Identität verknüpfen, sondern auch in Deutschland. So rief der Wissenschaftsrat zuletzt
zur Ausbildung von islamischen Religionslehrern und Imamen an deutschen Hochschulen
auf. Ein Schritt hin zu kultureller Verständigung und Integration? Ralph Ghadban,
Islamwissenschaftler und Migrationsforscher, hält ihn für verfrüht. Der gebürtige
Libanese arbeitete in Deutschland 18 Jahre lang mit Flüchtlingen und untersuchte die
Situation der Muslimen im Westen sowie - andersherum - die Situation von Christen
im Nahen Osten.
„Wir erleben das jetzt nach der letzten Entscheidung des
Wissenschaftsrates, islamische Lehrstühle in Deutschland einzurichten – da haben Muslime
sofort den Anspruch erhoben, darüber entscheiden zu können. Sie wollen dieselben Rechte
wie die Kirchen in Deutschland – so weit sind sie. Ich sage aber: Sie haben ihre Hausaufgaben
nicht gemacht. Denn um die Rolle der Kirchen zu übernehmen, müssen sie den Verfassungsweg
befolgen. Sie wollen als Religionsgemeinschaften anerkannt werden. Das ist bis heute
nicht der Fall, weil die Gerichte nicht genau wissen, ob es sich bei diesem Organisationen
um religiöse oder politische Einrichtungen handelt. Weil sie nämlich selber sagen:
Wir haben keine Trennung zwischen Religion und Politik. Der Islam ist für das Diesseits
und das Jenseits zuständig. Solange sie diese Position vertreten, stehen sie nicht
auf dem Boden der Verfassung. In Frankreich versucht man, genau das am zentralen Punkt
der Geschlechtergleichheit zu erzwingen.“
Die derzeit in Frankreich stattfindende
„verordnete Integration“ - das geplante Gesetz zur Burka und die dort geführte Debatte
- hält Ghadban zwar für problematisch. Andererseits ist er der Ansicht, dass muslimische
Gemeinschaften in Europa zuerst Verfassung und Menschenrechte anerkennen müssen -
ohne wenn und aber.
„Identität ist nicht etwas, was der Staat verordnet.
Sie wird durch die Gesellschaft selbst definiert, in ihrer Entwicklung. Deshalb spielt
die Zivilgesellschaft eine so wichtige Rolle. Und da eine offene Diskussion zu führen,
ohne Tabus, ohne unausgesprochen Regularien - das ist wichtig. Denn Demokratie bedeutet
Dialog. Das ist unsere einzige Chance.“