Eritrea – das ist
einer dieser Problemstaaten am Horn von Afrika. Ständig am Rand eines Krieges mit
dem Nachbarn Äthiopien, zu dem es mal gehörte; ständig bedroht von Hungerkatastrophen.
Die beiden Punkte gehören zusammen, sagt Joachim Schroedel: Der Monsignore ist Seelsorger
für Deutschsprachige in mehreren Ländern Nordafrikas. Ein Bericht mit Material des
Hilfswerks „Kirche in Not“.
„Man muss wissen, dass Eritrea ein ganz kleines
Land ist, aber dennoch etwa fünf Millionen Einwohner hat; die Bevölkerungsdichte ist
mit etwa 40 oder 50 Menschen pro Quadratkilometer sehr eng. Die Lage ist in den letzten
Wochen und Monaten sehr, sehr schwierig geworden, weil die Spannungen zwischen Äthiopien
und Eritrea wieder einmal aufflammen und somit die Kontakte zwischen beiden Ländern
auch auf dem wirtschaftlichen Sektor gar nicht mehr möglich sind.“
Auf
diese Kontakte ist Eritrea allerdings angewiesen, so Schroedel, der gerade wieder
mal durch die Region gereist ist.
„Das bedeutet, dass dort eine große Hungersnot
droht und die Lage sich Tag für Tag verschärft. Das Problem, das hinter allem steht,
ist natürlich die sehr straff gelenkte Regierung; der Präsident sagt nach außen, es
gebe überhaupt keine Probleme und alles funktioniere ganz gut, und es gebe natürlich
Religionsfreiheit oder die Freiheit der Presse wie in anderen Ländern auch – aber
das ist natürlich nicht der Fall!“
Das Verhalten der Regierung schreckt
reichere Staaten geradezu davon ab, irgendetwas für die Menschen in Eritrea zu tun.
Es gebe aber in dem kleinen Land noch ein weiteres Problem:
„Die religiöse
Freiheit ist überhaupt nicht gegeben. Als ich vor fünfzehn Jahren das erste Mal dort
war, war es noch relativ leicht, mit den Christen und Muslimen zusammenzutreffen und
auch gemeinsame Aktionen zu planen. Jetzt ist es kaum mehr möglich! Es gibt zwar offiziell
noch die protestantischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche und natürlich
die orthodoxe, die als Kirchen anerkannt sind – aber viele, viele andere Missionsgemeinschaften
können dort nicht mehr aktiv werden. Das bedeutet eben auch: Die Hilfsorganisationen,
die kirchlichen Hintergrund haben, sind eher unterdrückt…“
Das heißt, um
es noch klarer zu sagen: Sie werden gar nicht erst ins Land hineingelassen. Die Regierung
fürchtet, dass die Bevölkerung durch den Kontakt mit Helfern von außen zu einem kritischeren
Blick auf das Regime gelangen könnte. Außerdem gibt es in Eritrea wie überhaupt in
der Region ein islamisches Erwachen, das die Lage noch komplizierter macht; einige
katholische Ordensfrauen wurden vor kurzem aus Eritrea ausgewiesen. Viele Einheimische
wären liebend gerne mitgegangen – nur raus aus dem Land! Aber: „So leicht kann
man nicht ausreisen – jedenfalls nicht auf legalem Wege. Es gibt einige Gruppen, die
versuchen, über Djibuti das Land zu verlassen, aber auch das ist nicht einfach; nach
Äthiopien kann man nicht und in den Sudan auch nicht.“
Schon in den neunziger
Jahren kamen viele Flüchtlinge aus Eritrea nach Europa und auch nach Deutschland,
wo es jetzt vielerorts eritreische christliche Gemeinden gibt – aber viele können
eben nicht heraus aus dem Land, in dem sich die Umrisse einer humanitären Katastrophe
immer deutlicher abzeichnen.
„Ich bin froh, dass vor kurzem im Vatikan auf
Einladung der Ostkirchenkongregation unter Kardinal Sandri eine Konferenz zur Lage
in Eritrea stattgefunden hat. Die Bischöfe der drei Bistümer des Landes wurden eingeladen,
Anträge zu stellen an die katholischen Hilfswerke, damit hier auf der hohen Ebene
Vatikan-Hilfswerke etwas geschieht.“
Eritrea, öffne dich der Welt! Diese
Botschaft hat der Vatikan mit seiner Konferenz den Herren in Asmara übermittelt.
„Eritrea
muss sich wieder öffnen, sonst werden dort sehr viele Menschen hungers sterben und
auch aus anderen Gründen heraus sehr viel mehr Menschen noch leiden, als sie es derzeit
tun.“
Aber die Zeichen stehen eher auf Sturm: Die USA haben Eritrea kürzlich
auf die Liste von Staaten gesetzt, die den Terrorismus unterstützen. Der Vorwurf:
Die Machthaber des Landes unterstützten Islamisten im nahegelegenen Somalia. Somalia
und auch Jemen sind jetzt neu im Fokus des so genannten Krieges gegen den Terrorismus;
das könnte die Lage in der Region destabilisieren. Allerdings findet Pfarrer Schroedel:
„Wenn
Sie vom Sudan über Eritrea nach Äthiopien schauen, das kleine Djibuti noch sehen,
dann werden Sie feststellen: Die Lage ist immer noch recht stabil. Wobei wir bei dem
größten Land, nämlich dem Sudan, schon seit Jahren sehen, dass Rebellen im christlichen
Süden doch immer wieder Massaker anrichten – das ist sehr bedrohlich. In Äthiopien
sieht es offiziell noch so aus, dass das Verhältnis zwischen Islam und Christen noch
recht gut ist; aber die Islamisten erstarken derzeit im Westen Äthiopiens, und das
ist etwas Neues. Man muss hier sehr sensibel sein und auch international immer im
Gespräch bleiben, sonst ist diese Ecke Afrikas ein erneuter Punkt, an dem sich vielleicht
etwas entzünden könnte – so wie wir es ja jetzt leider in Nigeria sehen.“
Erst
Anfang der 90er Jahre hat Eritrea seine Unabhängigkeit von Äthiopien erlangt; dem
vorausgegangen war ein dreißigjähriger Unabhängigkeitskrieg. Die zwei Staaten unterscheidet
vor allem eines: Das heutige Äthiopien selbst war nie von einer ausländischen Macht
besetzt, während das jetzige Eritrea jahrzehntelang eine italienische Kolonie bildete.
„Und das hat dieses kleine Eckchen Land sehr geprägt: Die christliche Religion
hatte westlichen Einfluss. Äthiopien war mehr orientalisch geprägt; die Christenheit
dort ist eine der ältesten christlichen Gruppen der Welt, aber im Nordteil, dem heutigen
Eritrea, hatte der Westen Einfluss. Das ist einerseits positiv zu werten: Dieses Land
konnte sich nach außen öffnen. Aber heute wird erklärt, dass das, was damals an Einfluss
da war, negativ zu sehen ist – und deswegen schottet man sich jetzt in Eritrea ab.“
Die
Regierung sagt: Wir waren so lange von außen abhängig, das wollen wir nicht mehr –
jetzt nehmen wir unser Schicksal selbst in die Hand. Wir brauchen darum auch keine
ausländischen Hilfswerke. Aber, so Monsignore Schroedel: Diese Rechnung geht nur auf,
wenn Eritrea wirtschaftliche Kontakte zu den Nachbarn hat. Seit der Unabhängigkeit
bekommt Eritrea die meisten Waren kommen über Djibuti und sind teuer; mit Äthiopien
streitet man sich über die Grenze, braucht aber eigentlich auch von dort Waren.
„Nun
ist zwischen Asmara und Addis Abeba aber eine Funkstille eingetreten. In der letzten
großen kriegerischen Auseinandersetzung sind wahrscheinlich etwa 100.000 Soldaten
gefallen – und keiner hat im Westen Notiz davon genommen! Also, diese kriegerische
Auseinandersetzung hat das hervorgebracht, was jetzt zu sehen ist: Der Staat ist mit
aller Gewalt daran interessiert, die Türen zuzumachen. Regimekritikern droht Haft
und Folter; vor zwei Jahren hat „Reporter ohne Grenzen“ Eritrea auf die Weltrangliste
der Presseunterdrückung gesetzt“
- und zwar auf den letzten Platz. Schroedel
sieht im Moment nur eine Möglichkeit: Die römisch-katholische Kirchenspitze, die Weltkirche,
sollte die Dinge in Eritrea beim Namen nennen und das Gewissen vieler Menschen weltweit
aufrütteln. Rom hätte, glaubt der Pfarrer, einen guten Zugang ins Land:
„Der
größte Bevölkerungsanteil mit ca. 40 bis 50 Prozent sind die Tikrai – eine christliche
Gruppe, die übrigens auch zu großen Teilen mit Rom uniert ist. Gerade da oben im Norden
Äthiopiens und im angrenzenden Eritrea sind sehr viele katholische Bischöfe und einige
katholische Diözesen. Die zweitgrößte Gruppe sind dann die Tigrinier – ebenfalls eine
christliche Gruppierung. Und da folgen eigentlich nur sehr kleine, versprengte Gruppen
wie etwa die Afar im Westen von Eritrea, die dann auch meistens muslimisch sind. Das
bedeutet: Unter dem Strich ist Eritrea eigentlich ein christliches, ein stark christlich
geprägtes Land. Aber der islamische Ansatz, der von Osten her und aus dem Gebiet von
Djibuti kommt, ist natürlich stärker geworden.“
Präsident Issaias Afeworki
fährt seit einigen Jahren einen härteren Kurs gegen religiöse Gruppen, die – Zitat
– „von der Einheit des Staates abrücken“. Damit meint er vor allem die nicht offiziell
registrierten Bewegungen, allen voran die Evangelikalen: Sie erleben seit ungefähr
2002 eine regelrechte Unterdrückung.
„Tausende von ihnen wurden wegen ihres
Glaubens eingesperrt und gefoltert, zum Teil auch gefoltert. Der Präsident und eine
starke Gruppe von Muslimen sagen: Wir sind gegen jede christliche Missionierung, egal
ob von innen oder von außen. Anders als Äthiopien sieht sich Eritrea als ein stärker
islamisch werdendes Land.“
Weil es am Meer liegt, ist Eritrea schon sehr
früh von der katholischen Mission erreicht worden: Die ersten Jesuiten tauchten im
16. Jahrhundert dort auf. Heute hat es drei relativ junge und engagierte Bischöfe.
„Und
da ist es ähnlich wie auch in Äthiopien: Die katholische Kirche ist vor allem durch
ihren sozialen Einsatz wichtig. In der Caritas arbeitet die katholische Kirche viel
stärker als etwa die orientalischen. Das ist natürlich ein Segen für das Land…“
Und
darum ist es schon seltsam, dass die staatlichen Einrichtungen so scharf gegen die
katholische Kirche vorgehen, findet Monsignore Schroedel.
„Es wird dann
manchmal auch gesagt: Ihr macht euren sozialen Dienst ja nur, um damit Christen zu
produzieren und die Muslime unter Umständen von ihrem Glauben abzubringen… das ist
nicht sehr erfreulich. Es gibt jede Menge Passierschein-Kontrollen, und deswegen können
Ordensleute und Priester auch nicht einfach von A nach B gehen. Dabei ist das Land
so klein… Einer der Bischöfe hat mir neulich gesagt: Ich kann mich noch nicht einmal
in meinem eigenen Bistum richtig bewegen!“
Eritrea verschließt sich vor
der Welt – auch Monsignore Schroedel, dessen Hauptsitz die ägyptische Hauptstadt Kairo
ist, kommt immer seltener in das kleine Land am Horn von Afrika.
„Wir haben
unsere Aktivitäten immer mehr eingestellt, weil wir auch kaum noch deutschsprachige
Katholiken mehr vor Ort haben. Der katholische Nuntius hält dann eben auch Gottesdienste
in englischer Sprache für die wenigen Ausländer, die eben noch vor Ort verblieben
sind: Diplomaten oder Wirtschaftsleute… wobei die Wirtschaftsleute schon fast alle
gegangen sind.“