Wir dokumentieren in einer Arbeitsübersetzung die Predigt von Papst Benedikt XVI.
Verehrte
Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Schwestern und Brüder!
In
den zusammenfassenden Beschreibungen des kurzen aber intensiven öffentlichen Lebens
Jesu bezeugen die Evangelien, dass er das Wort verkündet und Heilungen von Kranken
gewirkt hat, als beispielhaftes Zeichen der Nähe des Gottesreiches. Matthäus schreibt
zum Beispiel: „Und Jesus zog umher in ganz Galiläa, lehrte in ihren Synagogen und
predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen
im Volk.“ Die Kirche, der die Aufgabe anvertraut ist die Sendung Christi durch Zeit
und Raum zu verlängern, kann [daher] diese beiden grundlegenden Werke nicht vernachlässigen:
Die Evangelisierung und die Pflege der Kranken an Körper und Geist. Gott will nämlich
den ganzen Menschen heilen und im Evangelium ist die Heilung des Körpers Zeichen einer
tieferen Genesung - der Vergebung der Sünden (Mk 12, 1-12). Es ist also kein Wunder,
dass Maria, Mutter und Modell der Kirche, als „Salus infirmorum“ als Heil der Kranken
angerufen und verehrt wird. Jene erste und perfekte Jüngerin ihres Sohnes hat bei
der Begleitung des Weges der Kirche immer eine besondere Fürsorge für die Leidenden
gezeigt. Davon geben die vielen Tausenden Personen, die sich in den Marienheiligtümern
einfinden, um die Mutter Christi anzurufen und die in ihr Kraft und Linderung finden,
beredtes Zeugnis ab. Der Bericht des Evangeliums von der Heimsuchung zeigt uns, wie
die Jungfrau, nach der Verkündigung des Engels, die empfangene Gabe nicht für sich
behält, sondern sofort aufbricht, um ihrer alten Cousine Elisabeth zu Hilfe zu kommen,
die seit sechs Monaten Johannes unter dem Herzen trägt. In der von Maria ihrer Verwandten
angebotenen Hilfe, die eine in fortgeschrittenem Alter heikle Situation wie eine Schwangerschaft
erlebt, sehen wir schon die ganze Tätigkeit der Kirche in der Unterstützung des Lebens,
das Fürsorge benötigt, vorgeformt.
Der päpstliche Rat für die Pastoral im Krankendienst,
schon vor 25 Jahren vom verehrungswürdigen Johannes Paul II. eingerichtet, ist ohne
Zweifel ein besonderer Ausdruck dieser Sorge. Ich denke mit Anerkennung an Fiorenzo
Kardinal Angelini, den ersten Präsident des Rates und schon immer ein leidenschaftlicher
Förderer dieses Bereiches des kirchlichen Handelns; ebenso an Javier Kardinal Locarno
Barragen, der bis vor einigen Monaten diesem Dienst Kontinuität und Wachstum gegeben
hat. Mit lebendiger Herzlichkeit entrichte ich als nächstes dem aktuellen Präsidenten,
Monsignore Zygmunt Timowski, der jenes so bedeutsame und wichtige Erbe übernommen
hat, meinen Gruß, den ich auf alle Aufgabenträger und alles Personal ausweiten möchte,
die in diesem Vierteljahrhundert so lobenswert in jenem Amt des Heiligen Stuhles gearbeitet
haben. Ich wünsche darüberhinaus, die Gesellschaften und Organisationen zu grüßen,
die die Organisation des Welttages des Kranken leisten - insbesondere UNITALSI und
das römische Pilgerwerk. Der allerherzlichste Willkommensgruß geht natürlich an Euch,
liebe Kranke! Danke, dass Ihr gekommen seid und vor allem für Euer Gebet, das ihr
durch die Aufopferung Eurer Mühen und Leiden anreichert. Mein Gruß geht auch an die
Kranken und die Freiwilligen, die mit uns verbunden sind in Lourdes, Fatima, Częstochowa
und anderen Marienheiligtümern, an alle die uns über Radio und Fernsehen mitverfolgen
können, besonders in den Kranken- und Pflegeeinrichtungen oder aus den eigenen Wohnungen.
Gott der Herr, der unablässig über seine Kinder wacht, gebe Euch allen Trost und Stärkung!
Es
sind zwei Hauptthemen, die die Liturgie des Wortes uns heute vorstellt: das erste
ist der marianische Charakter, der das Evangelium mit der ersten Lesung, die aus dem
letzten Kapitel des Jesajabuches genommen ist, und mit dem Antwortpsalm aus dem Lobgesang
der Judith verbindet. Das andere Thema, das wir im Abschnitt des Jakobusbriefes finden,
ist das des Gebetes der Kirche für die Kranken und insbesondere das Sakrament, das
ihnen vorbehalten ist. Im Angedenken an die Erscheinungen in Lourdes, dem von Maria
auserwählten Ort, um ihre mütterliche Fürsorge für die Kranken zu zeigen, lässt die
Liturgie angemessenerweise das Magnificat erklingen, jenen Gesang der Jungfrau, der
die Wundertaten Gottes in der Heilsgeschichte besingt: die Demütigen und Bedürftigen,
die alle die Gott fürchten, erfahren seine Barmherzigkeit, welche die irdischen Schicksale
auf den Kopf stellt und so die Heiligkeit des Schöpfer und Erlösers aufzeigt. Das
Magnificat ist nicht das Lied derjenigen, denen das Glück zulächelt, die immer Rückenwind
haben; es ist vielmehr die Danksagung dessen, der das Drama des Lebens kennt, aber
in das erlösende Handeln Gottes vertraut. Es ist ein Lied, das den geprüften Glauben
von Generationen von Männern und Frauen ausdrückt, die auf Gott ihre Hoffnung Gesetz
haben und die sich - wie Maria- in erster Person eingesetzt haben, um notleidenden
Geschwistern Hilfe zu sein. Im Magnificat hören wir die Stimme aller Heiligen der
Nächstenliebe; ich denke im besonderen an jene die ihr Leben bei den Kranken und Leidenden
verbracht haben, wie Camillus von Nellys, Johannes von Gott, Damian de Veuster und
Benedetto Menni. Wer lange leidenden Personen nahe bleibt, kennt Angst und Tränen,
aber auch das Wunder der Freude, die Frucht der Liebe ist.
Die Mütterlichkeit
der Kirche ist Widerschein der zuvorkommenden Liebe Gottes, von der der Prophet spricht:
„Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost.“
Es ist eine Mütterlichkeit, die ohne Worte spricht und die in den Herzen Tröstung
bewirkt, eine innerliche Freude, eine Freude die paradoxerweise mit Schmerz und Leid
zusammenleben kann. Die Kirche bewahrt wie Maria in sich das Drama des Menschen und
die Tröstung Gottes, sie hält sie zusammen auf dem Pilgerweg der Geschichte. Durch
die Jahrhunderte hindurch macht die Kirche die Zeichen der Liebe Gottes sichtbar,
der nicht aufhört an den Demütigen und Einfachen große Dinge zu tun. Das angenommene
und aufgeopferte Leiden, die ehrliche Gespräch, das keinen Vorteil sucht, sind das
nicht auch Wunder der Liebe? Der Mut dem Leid unbewaffnet entgegen zu gehen, wie Judith,
allein mit der Kraft des Glaubens und der Hoffnung auf den Herrn, ist das nicht ein
Wunder, das die Gnade Gottes ständig in soviel Personen bewirkt, die Zeit und Energie
aufwenden um dem zu helfen der leidet? Wegen all diesem leben wir eine Freude, die
nicht das Leid vergisst, sondern es versteht. Auf diese Weise sind die Kranken und
alle Leidenden in der Kirche nicht nur die Empfänger von Aufmerksamkeit und Sorge,
sondern zuallererst Handelnde auf dem Pilgerweges des Glaubens und der Hoffnung, Zeugen
der Wunder der Liebe, der österlichen Freude, die von Kreuz und Auferstehung ausgeht.
Im
Abschnitt aus dem Jakobusbrief, der gerade verkündet wurde, lädt der Apostel ein,
die nahe Wiederkunft des Herrn beständig zu erwarten und bringt in diesem Kontext
eine besondere Ermahnung bezüglich der Kranken. Diese Einordnung ist sehr interessant,
weil sie die Handlungsweise Jesu widerspiegelt, der ja durch Heilung der Kranken die
Nähe des Gottesreiches aufzeigte. Die Krankheit wird in der Perspektive der Endzeit
gesehen - mit dem Realismus der typisch christlichen Hoffnung. „Ist einer von euch
bedrückt? Dann soll er beten. Ist einer fröhlich? Dann soll er ein Loblied singen.“
Wir hören ähnliche Worte vom Heiligen Paulus, wenn er einlädt alle Dinge in Beziehung
zu setzen mit der radikalen Neuheit Christi, seinem Tod und seiner Auferstehung. Ist
einer von euch krank? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete
über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird
den Kranken retten…“ Hier ist der Fortsatz Christi in seiner Kirche sichtbar: es ist
noch immer Er, der handelt, durch seine Priester; es ist sein Geist der durch das
sakramentale Zeichen des Öles handelt; an Ihn richtet sich der Glaube, der im Gebet
ausgedrückt wird; und wie es bei den Personen, die von Jesus geheilt worden sind geschah,
kann man zu jedem Kranken sagen: Dein Glaube, gehalten vom Glauben der Schwestern
und Brüder, hat Dich gerettet.
Aus diesem Test, der das Fundament und die Praxis
des Sakraments der Krankensalbung enthält, lässt sich gleichzeitig eine Vision der
Rolle der Kranken in der Kirche herausholen. Eine aktive Rolle im - um es mal so zu
sagen - Provozieren des Gebetes, das im Glauben vollzogen wird. „Ist einer von Euch
krank, so rufe er die Priester…“. In diesem Priesterjahr unterstreiche ich gerne die
Verbindung von Kranken und Priestern, ein ganz besondere Art der Allianz, ein evangeliumsgemäßes
Einverständnis. Beide haben dieselbe Aufgabe: der Kranke muss die Priester rufen,
und jene müssen antworten, um in der Erfahrunge der Krankheit die Gegenwart und das
Handeln des Auferstandenen und seine Geistes spürbar zu machen. Und hier können wir
die ganze Wichtigkeit der Krankenpastoral sehen, deren Wert tatsächlich unschätzbar
ist: das unermessliche Gut, das sie in erster Linie im Kranken und im Priester bewirkt,
aber auch an den Angehörigen, den Bekannten, der Gemeinde und - auf unbekannte und
geheimnisvolle Wege - an der ganzen Kirche und an der Welt. In der Tat, wenn das Wort
Gottes von Heilung spricht, von Heil, von Gesundheit des Kranken, versteht sie diese
Begriffe in einem ganzheitlichen Sinn, indem sie niemals Seele und Körper trennt:
Ein Kranker, der vom Gebet Christi mittels der Kirche geheilt wird, ist eine Freude
auf der Erde und im Himmel, und eine Erstlingsgabe des Ewigen Lebens.
Liebe
Freunde, wie ich in der Enzyklika „Spem Salvi” geschrieben habe: Das Maß der Humanität
bestimmt sich ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden. Das gilt für
den einzelnen wie für die Gesellschaft.(Nr. 38). Mit der Einrichtung eines päpstlichen
Rates, der der Pastoral im Gesundheitswesen gewidmet ist, hat der Heilige Stuhl einen
eigenen Beitrag leisten wollen, um eine Welt voranzubringen, die fähiger ist, die
Kranken als Personen anzunehmen und zur umsorgen. Er hat nämlich gewollt, ihnen zu
helfen die Erfahrung der Krankheit in einer menschlichen Weise zu leben, indem sie
nicht negiert wird, sondern ihr ein Sinn gegeben wird. Ich möchte die Reflexionen
mit einem Gedanken des Verehrungswürdigen Johannes Paul II. beschließen, den er mit
seinem eigenen Leben bezeugt hat. Im Apostolischen Schreiben „Salvifici Doloris“ hat
er geschrieben: „Christus hat zugleich den Menschen gelehrt, durch das Leiden Gutes
zu wirken und dem Gutes zu tun, der leidet. In diesem doppelten Aspekt hat er den
Sinn des Leidens bis zum letzten enthüllt.“(Nr. 30)“ Möge die Jungfrau Maria uns helfen,
diese Mission vollständig zu leben.