2010-02-11 13:52:03

Saudi Arabien: Frauen in die Arbeitswelt


RealAudioMP3 Unternehmer in Saudi Arabien wollen in Zukunft mit Frauen zusammenarbeiten. Das hat der Präsident der saudischen Handelskammer, Saleh Kamil, jetzt im Interview mit der Tageszeitung „Arab News“ betont. Er hat die religiöse Elite des Landes dazu aufgefordert, die von ihr geforderte Geschlechtertrennung zu lockern. Für Kester von Kuczkowski von der TU Berlin besteht kein Zweifel, dass diese Forderung von einem klaren Pragmatismus rührt. Der Ingenieurwissenschaftler war beruflich schon oft in Westasien und Nordafrika. Vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen schätzt er die Haltung der Handelskammer folgendermaßen ein:
„Ich denke schon, dass diese Entscheidung von einem Pragmatismus geleitet ist, der sich auch immer weiter durchsetzen wird. Auch in dem Sinne, dass diese Länder alle mit einer hohen Dynamik in den globalisierten Märkten unterwegs sind – und dadurch auch mit einer hohen Weiterentwicklung in allen Bereichen. Und um da mithalten zu können, geht es darum, dass man die bestqualifizierten Menschen an den entsprechenden Positionen hat. Da wird kaum noch ein Unterschied gemacht zwischen Männern und Frauen – es geht einfach nur noch um die höchste Leistung.“
 
In Saudi Arabien gilt eine besonders strikte Auslegung des muslimischen Rechts, der so genannten Scharia. Der zufolge dürfen sich Frauen nur in Begleitung ihres Ehemannes oder eines männlichen Blutsverwandten in der Öffentlichkeit zeigen. Ein normales Geschäfts- und Firmenleben, in dem gut ausgebildete Frauen zunehmend eine Rolle spielen, wird dadurch erheblich erschwert. Ganz pragmatisch beurteilt der Wissenschaftler, der betont, kein Islamfachmann zu sein, diese Rechtsordnung so:
 
„Meines Erachtens ist der Ausgangspunkt der Geschlechtertrennung nicht im Islam zu sehen, sondern in regionalen Traditionen. Wenn man die Entstehungsgeschichte des Islam betrachtet und sieht, dass die erste Frau von Mohammed eine Geschäftsfrau war, die ihn angestellt hat, bevor die beiden geheiratet haben, dann waren das Dinge, die heute überraschend klingen. Abgesehen davon, dass in der Diskussion – zum Beispiel in der Kopftuchdebatte – dieses Thema immer wieder auftaucht und dort auch eine entsprechende Rolle spielt.“
 
Die Kreativität und das innovative Potential von Frauen hätten nun auch die saudischen Unternehmer erkannt, meint Kuczkowski. An seiner Hochschule besäßen gerade die ausländischen Studentinnen aus islamischen Kontexten eine besondere analytische Weitsicht und die Gabe, Aussagen treffend auf den Punkt zu bringen – wohl auf Grund ihrer Sozialisation. Bisher ans Zuschauen und Schweigen gewöhnt, sei es nun an der Zeit, dass die arabischen Frauen mehr in die Öffentlichkeit träten. Freilich sehe die Realität für die Frauen in Saudi Arabien noch anders aus. Und dennoch unterstreicht der Ingenieur:
 
„Gerade im Wissenschaftsbereich – in der Naturwissenschaft vielleicht am stärksten, weil diese global gesehen am wenigsten gesellschaftlichen Einflüssen unterliegt – gibt es im Rahmen dieser Globalisierung eine internationale Community. Es gibt gewisse Standards, die das Zusammensein und das Zusammenarbeiten definieren. Und wie in vielen anderen Bereichen wirkt auch dort die Globalisierung nicht gleichmachend, sondern jeder bringt vielmehr seine kulturellen Hintergründe ein. Aber bestimmte Extreme, die insbesondere aus Sicht der Wissenschaft künstlich erscheinen, also beispielsweise die Begrenzungen gegenüber Frauen und deren Zugang, können von Wissenschaftlern wohl am Schwersten akzeptiert werden, weil sie nicht nachvollziehbar und nicht logisch erscheinen. Und in vielen Ländern sieht das die Politik angesichts der drängenden Entwicklungsprobleme ähnlich und agiert dadurch immer pragmatischer.“
 
(rv 11.02.2010 vp)  







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