Das Anliegen des Papstes
am Weltkrankentag ist nachvollziehbar und richtig – allerdings müssen die Bedingungen
der Krankenseelsorge schärfer in den Blick genommen werden. Das fordert der Freiburger
Moraltheologe Eberhard Schockenhoff, der selbst Priester ist, im Gespräch mit Radio
Vatikan:
„Dass es zu den sinnvollsten Tätigkeiten eines
Priesters gehört, dass er Kranke besucht, Kranken Trost spendet, mit Kranken über
den Sinn ihres Leidens spricht und ihnen die Krankensalbung spendet, dass ist unbestritten.
Man wird aber hinzufügen müssen, jedenfalls ist das in Deutschland so, dass für die
meisten Priester, die im Rahmen von Seelsorgeeinheiten tätig sind, diese sinnvolle
Tätigkeit aus zeitlichen Gründen immer weiter eingeschränkt wird. Das gießt vielleicht
ein bisschen Wasser in den Wein dieser sinnvollen Aussagen des Papstes.“
Der
Papst unterstreiche, dass Kranke ihr Leiden als Zeugnis für andere Menschen verstehen
sollten und dass das „Passivsein“ und „Geduldhaben“ sinnvolle Möglichkeiten des Menschseins
seien. Dass der Papst daran erinnert, sei wichtig. Der Moraltheologe:
„Als
kritisches Korrektiv auch gegenüber einem unbegrenzten Leistungsideal, das Menschsein
nur dann als würdig und erstrebenswert empfindet, wenn es gesund, leistungsstark und
autonom ist. Allerdings würde ich sagen, dieses Zeugnis der Kranken gilt gegenüber
ihrer Umgebung insgesamt. In besonderer Weise natürlich auch gegenüber Priestern.
Aber eben nicht exklusiv, sondern gegenüber allen Menschen, die Kranken begegnen und
die ihnen in der Weise der Pflege oder des Trostes zugetan sind.“
Ein
weiterer Konflikt, der sich im Bereich des Gesundheitswesens zu Ungunsten der Kranken,
aber auch der Ärzte, zuspitze, liege in der Verteilung knapper medizinischer Güter,
so Schockenhoff. Er selbst ist auch Mitglied des Ethikrates in Berlin:
„Ein
Arzt ist von seinem eigenen Ethos her zunächst verpflichtet, für das Wohl des erkrankten
Menschen zu sorgen. Das ist seine Ausrichtung. Und zu dieser Orientierung am Wohlergehen
des einzelnen Menschen kommt nun durch den Zwang, wirtschaftlich zu handeln, auch
im ärztlichen Tun eine zweite Blickrichtung hinzu: Er muss nämlich gleichzeitig über
die Ausnutzung knapper medizinischer Ressourcen entscheiden. Und das kann ein Widerspruch
sein und bis zum Gegensatz gehen. Das ist eigentlich mit dem ursprünglichen ärztlichen
Ethos unvereinbar.“
Während des Wirtschaftswachstums
hätten auch im medizinischen Bereich scheinbar unbegrenzte Mittel zur Verfügung gestanden.
Im Zuge der jüngsten gesundheitspolitischen Entwicklungen verschärfe sich die Finanzlage
für medizinische Behandlungen. Schockenhoff erläutert die Situation der Ärzte:
„Dagegen
ist so lange nichts einzuwenden, so lange sie dazu angehalten sind, unter zwei gleichrangigen
Therapiemöglichkeiten die kostengünstigere zu wählen. Das ist auch aus ethischen Gesichtspunkten
zu begrüßen. Denn eine Verschwendung knapper Güter wäre ebenfalls unethisch, weil
sie anderen Patienten das vorenthält, was ihnen mehr nützen würde. Eine Schwierigkeit
für das ärztliche Handeln ergibt sich aus der verdeckten Rationierung, die wir schon
haben.“
Und der Moraltheologe führt aus:
„Zum
Beispiel durch die Quartalsdeckelung, wo die Mittel zum Quartalsende schon aufgebraucht
sind und ein Arzt diese Mittel nur noch in Notfällen überschreiten darf. Oder durch
die Kostenpauschale für bestimmte Krankheitsbilder im Krankenhaus. Das kann dazu führen,
dass ein Patient, dem vielleicht gemäß seines Krankheitsbildes eine intensivere Untersuchung
oder Behandlung zuteil werden müsste, diese nicht bekommt, weil ein Krankenhaus sie
nicht über die Pauschale abdecken kann.“
Von der Politik
verlangt Schockenhoff eine größere Transparenz bei der Priorisierung und Rationalisierung
medizinischer Güter. Das könne auch etwas von dem Druck, der auf den Ärzten lastet,
nehmen:
„Das heißt, die Gesundheitspolitik müsste der
Bevölkerung die Gründe erläutern, warum es zu einem höheren Kostendruck kommt. Es
wird nicht einfach alles teurer, wie es den Anschein hat, sondern hängt an der demographischen
Entwicklung. Die Menschen werden älter, was ja etwas Gutes ist. Aber damit steigt
auch die Summe der im Laufe eines Lebens anfallenden Behandlungskosten. Und das Zweite
sind die ansteigenden Kosten im Bereich der Arzneimittelforschung. Hier setzten ja
auch Einsparungsmaßnahmen an, die verlangen, dass die Versicherungsgemeinschaft nur
dann die Kosten für ein neues Medikament übernimmt, wenn dessen medizinischen Zusatznutzen
klar erwiesen ist.“