Für eine erfolgreiche
Ökumene müssen sich alle Glaubensgemeinschaften gemeinsam bewegen. Darauf weist der
anglikanische Exeget, Tom Wright, hin. Der Bischof von Durham im Norden Englands hat
in den letzten Tagen am ökumenischen Symposion in Rom teilgenommen, das an diesem
Mittwoch mit der Feier der Vesper in Sankt Paul vor den Mauern zu Ende geht. Der Rat
für die Einheit der Christen unter Kardinal Walter Kasper hatte eingeladen, sich unter
dem Titel „Die Früchte ernten“ über Stand und Fortschritt im ökumenischen Prozess
auszutauschen. Bischof Wright benennt im Gespräch mit uns einen grundlegenden Wandel
in dem, was Ökumene heute will. „Vor vierzig Jahren haben wir alle
noch einen – wie soll ich sagen – modernistischen Traum gehabt. Das war mein ganzes
Leben lang so. Einen Traum der einen Theorie für alles. In Physik genauso wie in der
Politik, den Vereinten Nationen etwa, würde die Welt zusammenwachsen und das war wunderbar.
Das war der Traum, mit dem die Ökumenische Bewegung vor 100 Jahren begonnen hat. Die
Ereignisse des 20. Jahrhundert haben diesem Optimismus irgendwie den Boden unter den
Füßen weggezogen: sozial, kulturell, und auch theologisch.“ Die
am schnellsten wachsenden Kirchen in der postmodernen Welt seien heute die Pfingstkirchen,
und denen sei es egal, ob Anglikaner oder Katholiken oder Methodisten irgendwie zustimmen.
Sie predigten den gekreuzigten Herrn und ignorierten die ökumenische Bewegung. „Wir
sind heute in einer ganz, ganz anderen Welt. Ich glaube, dass wir diese Gespräche
miteinander brauchen, aber trotzdem wissen wir alle, dass unsere Welt größer und komplexer
und verschiedener ist. Natürlich wäre es gut, in möglichst viel überein zu stimmen.
Aber wir sollten uns nichts vormachen: Indem wir hier um den Tisch in Rom eine Einigung
finden, lösen wir noch nicht alle Probleme der Einheit der Kirche weltweit, das tun
wir nicht. Das ist erst der Anfang.“ Die Probleme der Einheit seien
aber nicht nur zwischen den Kirchen zu finden. Auch innerhalb der Kirchen gebe es
Auseinandersetzungen. „Nicht nur in der anglikanischen Gemeinschaft,
sondern in allen Kirchen und auch in Rom selbst, gibt es verschiedene Stimmen und
wir müssen unterscheiden, welche Stimme was sagt und ob die einzelnen Stimmen zusammen
passen. Irgendwie ist jede Kirche eine ökumenische Bewegung in Miniatur mit linkem
und rechten Flügel, mit Traditionalisten und Radikalen und wie auch immer man sie
nennen will.“ Das Treffen wolle aber nicht nur Unterschiede und
Differenzen sichtbar machen, es wolle auch klar ansagen, in welche Richtung der ökumenische
Dialog weitergehen wird. Bischof Wright: „Wie wir die Schrift gemeinsam
lesen ist entscheidend. Wir müssen das immer und immer wieder tun und einsehen, dass
das nicht etwas ist, was wir irgendwie haben und was uns davon abhält, selbst zu denken.
Die Schrift zwingt jede Generation, jede Kirche, jede Kirchenführung, ihre eigenen
Hausaufgaben zu machen, selbst zu denken, zu beten. Spannung zwischen Schrift und
Tradition ist nicht wirklich nötig, im Gegenteil. Eine der großen Definitionen von
Tradition – sie stammt von Thomas von Aquin – lautet, dass Tradition das ist, was
dabei herauskommt, wenn die Kirche über die Bedeutung der Schrift nachdenkt. Und Kardinal
Kasper hat das in seiner Eröffnungsansprache auf klare und deutliche Weise klar gemacht:
Wir alle müssen uns ändern, wir alle müssen uns bewegen, keiner von uns kann einfach
die Hände in den Schoß legen und warten, dass alle anderen irgendwann zu uns kommen.“ (rv
10.2.2010 ord)