Ein hartes Urteil
über die Bemessung von Hartz IV hat das oberste deutsche Gericht gefällt. Am Dienstag
stand zur Entscheidung, ob die gegenwärtigen Verfahren den Verfassungsgrundsätzen
entsprechen. Die Antwort: Nein, das tun sie nicht. Die aktuelle Bemessung der Regelsätze
verstieße gegen das Grundgesetz, so das Gericht, und zwar gegen Paragraph 20, das
Sozialstaatsprinzip, und gegen Paragraph 1, die Würde des Menschen. Prälat Peter Neher
ist Präsident des deutschen Caritasverbandes. Er sieht eine Notwendigkeit der Änderung
der Verfahren zur Festsetzung der Regelsätze, aber im Fokus hat bei dem Verfahren
ja besonders eine Bevölkerungsgruppe gestanden: die Kinder. „Der
bisherige Regelsatz für Kinder ist ja ein prozentual abgeleiteter Satz des Erwachsenenregelsatzes.
Und das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig festgestellt, das dem eben nicht der
jeweilige Bedarf von Kindern in unterschiedlichen Altersgruppen bis fünf,, bis 13
und bis 17 Jahren zu Grunde gelegt sind, sondern eben die Bedarfe eines allein stehenden
Erwachsenen. Und das ist verfassungswidrig. Und deswegen bin ich persönlich mit dem
Urteil sehr zufrieden und bin sehr überrascht über die Klarheit der Sprache! Im Urteil
steht an mehreren Stellen, die Schätzungen seien ins Blaue hinein gemacht worden oder
die Berechnungen seien ‚freihändig‛.“ Der deutsche Caritasverband
hat bereits im Oktober 2008 ein eigenes Verfahren zur Berechnung vorgestellt. „Und
zu dieser Berechnung des Kinderregelsatzes haben wir die drei Altersgruppen vorgestellt,
die jetzt vom Bundesverfassungsgericht vorgestellt wurden, und wir kommen zu höheren
Regelsätzen; je nach Altersgruppe zwischen 21 und 43 Euro. Das entscheidende dabei
ist, dass eben zum Beispiel im Bereich der Kinder zwischen sechs und 13 ganz notwendig
die Bildungsausgaben zu berücksichtigen sind. Das heißt: Schulhefte, Schulranzen,
Taschenrechner, all das, was ein Kind in diesem Alter braucht; oder, dass bei kleinen
Kindern bis zu fünf Jahren aber auch bei denen bis zu 13 natürlich das Wachstum berücksichtigt
werden muss. Dass etwa Kinderkleidung adäquat aufgenommen werden muss, weil ich Kinder
nicht als kleine Erwachsene behandeln kann.“ Bis Ende des Jahres
2010 müssen nun die gesetzlichen Regelungen zur Bestimmung des Regelsatzes neu definiert
werden. Das ist eine der Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht gemacht hat. Hierbei
ginge es nicht nur um einfach mehr Geld, sondern ganz grundsätzlich um die Bekämpfung
der Kinderarmut. „Und gleichzeitig ist nicht zu vergessen: Im Kampf
gegen Kinderarmut ist es ganz wichtig, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen,
also etwa die Vorschulerziehung für die schulische Bildung zu gewährleisten, entsprechende
Ausgaben zu tätigen, für Schulsozialarbeit zu sorgen usw. Denn es kann nicht sein,
dass in Deutschland – wie in kaum einem anderen europäischen Land – soziale Herkunft
so sehr über die schulische und berufliche Zukunft entscheidet! Neben der Berechnung
des Kinderregelsatzes sind diese Rahmenbedingungen also ein ganz entscheidender Schritt
– vor dem Hintergrund, dass wir in der Politik alles tun müssen, Kinderarmut wirksam
zu bekämpfen.“ (rv 10.2.2010 ord)